Veröffentlicht am 23.12.2020
Zugegebenermaßen weckt ein Restaurant mit dem Namen "zur Krone" in einer idyllischen, südpfälzischem 1.800-Seelen- Gemeinde sofort Assoziationen mit banalen, ländlichen Stereotypen - meist auch zurecht. In Neupotz wird dieses Klischee vollständig aufgebrochen. Hier kocht der US-Amerikaner Faycal Bettioui mit marokkanischen Wurzeln eine bemerkenswert, spannend moderne, französische Produktküche. Eine Erfolgsgeschichte, welche in Miami ihren Lauf nahm und seit fast fünf Jahren in Neupotz weitererzählt wird. Wir haben das Restaurant im Sommer besucht.
Außenansicht
Es war einmal in Amerikas Sunshine-State um die Jahrtausend-Wende. In Miami Beach lernen sich Kerstin und Faycal Bettioui kennen... So könnte man die Entstehungsgeschichte des Restaurants zur Krone in Neupotz beginnen. Eigentlich beginnt die Geschichte in Casablanca, dem Geburtsort Faycal Bettiouis, welcher sich in jungen Jahren dazu entschloss, in die USA auszuwandern - genauer gesagt nach New York City.
Er begann in Spitzenrestaurants im Big Apple zu arbeiten und kochte unter anderem im Per Se*** von Thomas Keller. Später beschloss er, sein eigenes Restaurant zu eröffnen und zog nach Miami Beach, wo er Kerstin kennen und lieben lernte. Schließlich kam eines zum anderen und nach einem kurzen Zwischenstopp in Casablanca, zog es die beiden in Kerstins' Heimat zurück, ins beschauliche südpfälzische Neupotz. Das ist mittlerweile fast 5 Jahre her und der Beginn der Geschichte eines bemerkenswerten Restaurants.
Das alteingesessene Restaurant zur Krone an der Hauptstraße des Örtchens wurde liebevoll hergerichtet. Cyanblaue Fensterläden und Orangenbäumchen wecken Assoziationen an die Biscayne Bay von Mami und sind eine originelle Hommage an die alte Heimat.
Gastraum
Der Gastraum ist stilvoll, schnörkellos und angenehm unprätentiös. Das warme Holz der Tischplatten mischt sich schön mit mondänen Schlamm- und Grautönen und farbenfrohen, abstrakten Gemälden. Die Atmosphäre und der Service wirken entspannt und formlos. Genau unser Geschmack.
Faycal Bettioui steht ganz alleine in der Küche und serviert seinen Gästen ein 8-Gang-Menü (€ 110,--). Seine Kreationen lesen sich spannend, offenkundig produktorientiert, französisch und mit weltoffenen Einschlag. Hervorragende Produzenten wie Balfego oder N25 oder die Tatsache, dass Faycal Bettioui stetig mehr Blüten, Kräuter in seinem eigenen Garten anbaut, zeigen schon, dass hier auf der Produktebene eigentlich nichts schief gehen kann. Wir sind umso mehr auf die Gerichte gespannt. Auch die angebotenen Weine aus der Hand von Stefan Echle hören sich spannend an und sind darüber hinaus äußerst fair kalkuliert (€ 11,-- pro Glas). Es kann los gehen.
Foie Gras-Macaron - Pfirsich
Buchweizen - Räucheraal - N25 Kaviar
Hummer-Erbsen-Tartelette
Mais - Eigelb - Schnittlauch
Vier Snacks geben die kulinarische Richtung vor, nämlich die Fusion von Frankreichs Hochküche mit der Welt. Es gibt ein Foie-Gras Macaron mit Pfirsich, eine Art gefülltes Buchweizen-Blini mit Räucheraal-Crème und N25-Kaviar, ein Tartelette mit frisch ausgebrochenen Erbsen und Hummer. Ein schlotziges Löffel-Ei aus Mais-Espuma, Eigelb und frischem Schnittlauch komplettiert das wunderbare Quartett. Mit Liebe zum Detail und absolut hervorragend gelungen.
Balfego Thunfisch - Avocado - Grüne Tomaten Dashi
Das Menü beginnt mit Balfego Thunfisch. Bettioui schneidet das Rückenfilet als feines Carpaccio auf, setzt ein Tartar aus Bauch & Rücken darauf und toppt das Ganze mit einer Haube aus Avocado-Crème. Dazu gießt er einen fruchtig, säuerlichen, grünen Tomaten-Dashi an. Neben der wunderschönen, farbenfrohen Optik, gefällt uns besonders, dass hier eine wunderbare Hauptzutat aus dem Mittelmeer geradezu zelebriert wird. Leider ist für unseren Geschmack die Aromatik etwas zu leise gewählt. Auch wenn der fruchtige Dashi auf Basis von grünem Tomatenwasser und der zartschmelzende Thunfisch viel Umami und Wohlgeschmack bieten, so hätte es ruhig etwas mehr geschmackliche Tiefe und vor allem Salz sein dürfen. Trotzdem ein schöner produktfokussierter Einstieg.
Taschenkrebs - N25 Kaviar - geräucherter Stör - Vin Jaune
Weiter geht es mit der nächsten Delikatesse, nämlich Taschenkrebs (Tourteaux) aus dem Ostatlantik. Das Krabbenfleisch wurde fein gezupft und als feines Tartar in der Tellermitte platziert. Ein Krönchen aus einem Mousse von geräuchertem Stör und eine großzügige Nocke N25 Kaviar veredeln die Kreation. Hinzu kommt ein feiner Störschaum, welcher mit Vin Jaune abgeschmeckt wurde. Die Deklination vom Stör in Verbindung mit dem süßlichen, frischen Krebsfleisch ist absolut köstlich und stimmig. Von der Proportionierung bis zur Feinjustierung der Aromen mit einer dezenten Brise Rauch und dem wunderbaren nussig-jodigen Kaviar ist alles wunderbar arrangiert. Hervorragend.
Foie Gras - Fermentierte Blaubeere - Brombeere - Zwiebel
Beinahe regional ist die folgende Kreation mit Gänsestopfleber aus dem angrenzenden Elsass, welche wunderschön akkurat als zwei Pralinen präsentiert wird. Die Hülle aus Kakaobutter gibt ein präzise abgeschmecktes Mousse frei, welches mit fermentierter Blaubeeren, frischen Brombeeren, gepickelten Zwiebeln und einem Röstzwiebelcrumble auch wunderbar harmoniert. À part wird ein wunderbar buttriges Brioche (als Art Schneckennudel) gereicht. Auch diese Komposition ist gut gelungen und die Kontrastierung der Foie Gras mit der Fruchtsäure funktioniert naturgemäß hervorragend. Leider steht die aromatische Vorhersehbarkeit natürlich auch etwas im Raum, was dem Gericht etwas die Spannung nimmt und etwas schade ist. Nichtsdestoweniger ist das Gericht souverän umgesetzt.
Tristan Languste - Kürbis - Karotte - Bisque
Ein beeindruckender, hervorragend gegarter Tristan-Langustenschwanz spielt die Hauptrolle im nächsten Gang und wird von einer Karottencrème, einer eingelegten Kürbisschleife und einer feinen Krustentierbisque begleitet. Bettioui wählt hier eine sehr ursprüngliches Aromatik, indem er den Geschmack der einzelnen Komponenten exakt herausarbeitet und dezent mit etwas Säure und Korianderkresse unterstreicht. Auch die Bisque hält sich elegant zurück und erzeugt eine Tellerhierarchie voller Raffinesse und beabsichtigtem Understatement. Das ist grandios untermalte Produktküche vom Feinsten.
Weißer Heilbutt - Erbse - Stabmuschel - Yuzukosho
Es kommt sogar noch etwas eleganter. Eine schneeweise Tranche Heilbutt wie aus dem Bilderbuch thront auf einem Muschelsud mit hervorragenden Erbsen aus Riedingen, Stabmuschelfleisch. Yuzukosho (eine Paste aus Yuzu, Salz und Chili) in dezenter Dossierung sorgt für eine wunderbare japanische Akzentuierung. Garung, Produktqualität und Handwerk sind makellos. Für unseren Geschmack hätte lediglich einen Hauch mehr Salz für die schiere Vollkommenheit gefehlt. Ein wunderbarer Fischgang und großes Kino!
Taube (Dry Aged) - Beete - Schwarzer Knoblauch - Taubenjus
Der Hauptgang wartet mit trockengereifter Taube auf. Und obwohl die sous-vide Garung texturell ein paar Spuren hinterlassen hat, ist die Brust dennoch schön fest und zart. Diese, aus unserer Sicht eher ungünstige Garmethode für Taubenbrust, ist natürlich Bettiouis' Alleinsein geschuldet, absolut verständlich, und dafür maximal gut umgesetzt. Hinzu gibt es die gezupfte Keule in einer kleinen, ausgehöhlten Zwiebel, einen hauchdünnen Sesam-Filotteig-Cracker, einen großen Tupfen fermentierter Knoblauch als Crème und etwas rote Beete. Die Taubenjus demonstriert klassisch, französisches Saucenhandwerk und ist phänomenal gelungen und tief befriedigend. Wir leeren das Kännchen am Tisch bis auf den letzten Tropfen. Insgesamt ein toller, intensiver Hauptgang mit schönem Aromenakzenten und schönem Hauptprodukt.
Cheese Cake - Beeren - Joghurt Sorbet
Auch die Patisserie beherrscht Faycal Bettioui bemerkenswert gut und eröffnet den süßen Teil des Menüs direkt mit einem schönen Pleaser. Eine Cheesecake-Creme mit frischen Beeren feiert ein harmonisches Stelldichein mit einem frischen Joghurt-Sorbet, womit sensorisch schon alles klar sein dürfte. Die Umsetzung ist tadellos. Saulecker.
Weinberg-Pfirsich-Kompott - Weißes Schokoladen-Mousse
Allein die Optik des 2. Desserts ist schon der Knaller. Der wunderschön gearbeitete, dekonstruierte Weinbergpfirsich verbirgt ein leckeres Weinbergpfirsich-Kompott und ein herrlich fluffiges Mousse von weißer Schokolade. Und obwohl es genauso schmeckt, wie man es erwartet, so lässt sich diese Kombination wahrscheinlich auch nicht besser konzipieren. Und wenn man dazu noch bedenkt, dass hier buchstäblich nur zwei Hände in der Küche vorhanden sind, ist das umso beeindruckender. Bravo!
Petits Fours
Auch die Petits Fours sind beachtlich und schließen einen enorm kurzweiliges und absolut überzeugendes Menü ab. Restaurantleiter Christian Pufahl sorgt mit seiner charmanten, humorvollen Art für viele Lacher und schmeißt mit Sommelier Stefan Echle souverän den sympathischen Service. Wir haben das Restaurant an diesem Abend in unser Herz geschlossen.
Alkoholische Getränkebegleitung
Stefan Echle lieferte eine bemerkenswert diverse und spannende Weinbegleitung, welche gekonnt zwischen Sake, jungen, biodynamischen Winzern und großen Mosel-Lagen changierte.
Weinbegleitung
1. Gang: Balfego | Kamoshibito Kuhejii, Eau du Désir, Sake, Japan, 2018 |
2. Gang: Taschenkrebs | Weingut Dreissigacker, Bechtheimer Riesling, Rheinhessen, 2017 |
3. Gang: Foie Gras | Weingut Seckinger, Rosé Pure Cuvée, Pfalz, 2019 |
4. Gang: Tristan Languste | Manincor, Sophie Chardonnay Alto Adige Terlano DOC, Südtirol, 2018 |
5. Gang: Heilbutt | Weingut Odinstal, Auxerrois, 350 N.N., Pfalz, 2018 |
6. Gang: Taube |
Domaine Le Roc des Anges, Cuvée "Reliefs", Languedoc, 2015 |
7. Gang: Weinbergpfirsich | Weingut Joh. Jos Prüm, Riesling Auslese, Wehlener Sonnenuhr, Mosel, 2007 |
Team
Von links: Kerstin & Faycal Bettioui - Stefan Echle - Christian Pufahl
Fazit
Wir ziehen den Hut vor Faycal Bettioui und seiner ungemein reduzierter und elegant komponierter Produktküche, welche er völlig alleine(!) auf den Teller bringt. Mit Sicherheit eines der sympathischsten Restaurants dieses Jahres!
weitere Informationen:
Adresse: | Restaurant zur Krone |
Hauptstraße 25 | |
76777 Neupotz | |
Webpage: | https://www.zurkroneneupotz.de/ |
Öffnungszeiten: |
Mittwoch - Sonntag 18:30 - 19:30 h |
Chef de Cuisine: | Faycal Bettioui |
Datum unseres Besuchs: | 29.07.2020 |
Besuchskonditionen: | Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt |
Kosten: | 8 Gänge: € 110,-- / Weinempfehlung: € 11,--/Glas |
Auszeichnungen: | 1 Stern (Guide Michelin 2020) |
16 Punkte (Gault Millau 2021) | |
2,5 Hauben (Der Große Guide 2020) | |
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