Mary Jane Space, Heidelberg - Omakase-Superhelden

Veröffentlicht am 20.12.2022


Der Restaurant-Name „Mary Jane Space“ mag zunächst wenig aussagen. Er klingt harmonisch, wirkt modern, irgendwie griffig und sympathisch liberal zugleich. Wir gehören zur Spiderman-Generation und mussten natürlich auch kurz an Peter Parkers sympathische Nachbarin  denken, in welche der Superheld bereits seit dem ersten Schultag unsterblich verliebt ist. Dass wir uns nach dem Besuch tatsächlich ein wenig wie Peter Parker fühlten, kommt nicht von ungefähr. Spitzenkoch Namo Wrede und sein Team liefern hier, in einer beeindruckenden Kulisse, an nur zwei Abenden pro Woche eine spektakuläre Omakase-Show ab. Tickets gibt’s im Vorverkauf. Hier ist unser Bericht.

Außenansicht

Es hat schon etwas kryptisches, wenn man als erstmaliger Gast vor dem Gebäude Poststraße 36/7 in Heidelberg steht. Das Nebengebäude des alten Hallenbads in Heidelberg-Bergheim, mit betongrauer Fassade, versprüht eher Behörden-Flair, als moderne Gastlichkeit. Das ändert sich allerdings sofort, wenn man aus dem Aufzug heraus die oberste Etage betritt. Die Welt, welche sich einem hier im 4. Stock auftut, übersteigt die Erwartung enorm. "NICE & SMOOTH" prangt über der gläsernen Eingangstür in kapitalen Lettern, der Vorhang geht auf und da ist sie, die unwirkliche Parallelwelt: Gedimmte Lampen, geschwärzte lange Eichenholztafeln, geschmackvolle Beleuchtung und Blick auf eine offene Küche, in welcher bereits Dampfschwaden aufsteigen und eifrig gewerkelt wird.

Das Erstaunen ist uns sicher anzusehen, als wir direkt freundlich mit herzlichen Lächeln begrüßt werden. So ein geschmackvolles und hochwertiges Interieur hätten wir – als unwissende Erstlinge und in diesem Setting – nicht für möglich gehalten. Jacken abgegeben und schon sitzen wir an einer der Tafeln mit direktem Blick auf die Küche. Selten wurden wir so positiv von einer Location überrascht.

Restaurateur Georgios Messas (u.a. Fresko Café & Bar) und Spitzenkoch Namo Wrede sind die Väter des Konzepts.

Wrede ist der kulinarische Reiseleiter Küchenchef und Tausendsassa, Messas ist der Restaurateur und Inhaber dahinter. Weitere Projekte sind bereits in Planung.

 

Wrede absolvierte seine Ausbildung zum Koch im Europäischen Hof in Heidelberg, reiste um die Welt. Manche mögen ihn eventuell noch als Halbfinalisten bei der Sat1-Show The Taste kennen.

Täglich kocht er mit seinem Team für anspruchsvolle Private Dining Runden, mal klassisch mit Steinbutt, Hummer und Kaviar, mal rein vegetarisch, je nachdem was bestellt wird.

 Am Freitag und Samstag bestimmt er selbst was auf den Tisch kommt und serviert abends ein 5-Gänge Omakase-Menü für circa 40 Gäste (€ 95,-- pro Person exkl. Getränke). Auch hier wird auf der Homepage nicht allzu viel verraten. Man setzt hier eindeutig auf den Überraschungseffekt und aufgeschlossene Gäste. Beginn des Spektakels ist 19:30 Uhr. So sind auch wir gespannt, was uns heute erwartet. 

 

 

Steckbrief namo wrede

geb. am 14.01.1993 in Heidelberg

Ausbildung zum Koch im Europäischen Hof, Heidelberg

Stationen:

Estelles Bar*, St. Crispin, Australia

Europäischer Hof, Heidelberg (Sous Chef)

Chambao, Heidelberg (Küchenchef)

seit 2021 Mary Jane Space (Küchenchef / Patron)

Sonstiges:

Koch des Jahres (Halbfinalist)

Sat 1 The Taste (Halbfinalist)



Tramezzini - O-Toro - Neapolitanischer Basilikum // Knusperkugel - Rindertartar - Frankfurter Grüne Kräuter - Meerrettich

Zum Aperitif (Krack Freundeskreis Grande Cuvée Brut Nature 2018) werden die ersten Küchengrüße serviert. Ein offenes Tramezzini-Sandwich mit Otoro (Thunfischbauch) und neapolitanischem Basilikum macht ebenso große Freude, wie die Knusperkugel, welche mit Rindertartar, Frankfurter Grünen Kräutern und frischen Meerrettich befüllt wurde. Beide Snacks sind hervorragend gearbeitet und zeigen bereits eindrucksvoll, welches Niveau wir hier erwarten dürfen.

Jakobsmuschel - Ponzu - Fingerlimes

Die Crudo-Trilogie wird von einer Jakobsmuschel von fabulöser Qualität vervollständigt. Das feste, nussige, lauwarm marinierte Muschelfelsich wird in der Schale weitestgehend naturbelassen serviert und lediglich mit etwas hausgemachten Ponzu (mit selbst hergestellter Sojasauce), Chili und etwas Fingerlimes flankiert. Das ist tolle Produktküche und in seinem Purismus schlichtweg sensationell.

Burrata - Beete - Tomate - Safran

Das Omakase-Menü beginnt durchaus bemerkenswert. Nämlich mit einem stattlichen 1 Kilogramm Burrata von einem italienischen Traditionsbetrieb, welcher am Tisch von Namo Wrede stolz präsentiert wird. Davon landet ein großzügiges, herrlich cremiges Stück auf unserem Teller. Die grandiose Produktqualität des Protagonisten wird von einem Mille-Feuille aus Gelber Bete mit Tomate und einer wunderbar abgeschmeckten Safran-Vinaigrette mit etwas Aromentiefe untermalt. Dabei lässt die Küche lediglich herausragende Produkte sprechen und paart sie mit etwas Finesse. Handwerklich und konzeptionell brillant umgesetzt. Bitte mehr davon.

Saibling - Miso - Kohlrabi - Tagetes - Beurre Noisette

Weiter geht es mit Saibling aus der letzten Heidelberger Zucht. Das Loin wurde lediglich mit hausgemachtem (Lupinen-)Miso mariniert und anschließend kurz geflämmt, womit der Fisch (von grandioser Qualität) seine bissfeste Textur behält.  Aromatisch eingefasst wird das Hauptprodukt von süß-sauer mariniertem Kohlrabi, einer Zitronenmayonnaise und einer herrlich unkonventionellen Vinaigrette aus Kohlrabi-Saft, Saiblingskaviar und kongenial: mit Nussbutter und balsamische Studentenblume (Tagetes), wodurch der sehr leichten Kombination eine enorm spannende Wohlfühl-Üppigkeit zugesteuert wird. Von der ersten bis zur letzten Gabel geraten wir am Tisch ins Schwärmen. Das ist nicht nur fantastische Produktküche, sondern auch eine Form von Kreativ und enormen Feingefühl, welche in unserem Gedächtnis noch länger nachhallt. Ganz Großes Kino!

Aubergine - Dill - Weinblätter - Spitzpaprika - Zitrone

Wenn Spitzenköche mit Kindheitserinnerungen spielen, wird es in der Regel großartig. Namo Wrede hat väterlicherseits kurdische Wurzeln und serviert den Gang als Hommage an seine Großmutter und ihre Spezialität Dolma (gefüllte Weinblätter). Dabei ist ihm vor allem der Sud in Erinnerung geblieben, welche er hier mit gerösteten Spitzpaprika, Weinblättern, Weißkohl und Zitrone geschmacklich nachbildet.  Dazu gibt es Tranchen von einer, im Salzteig gegarten, Aubergine, welche anschließend in brauner Butter angebraten wurde. Auch der traditionelle Reis wurde eingebaut, dient aber hier nicht als klassische Füllung, sondern wurde gepufft, um die Textur zu bereichern. Die Liebe lässt sich förmlich schmecken und die Dekoration mit reichlich Dillblüten sorgt für den authentischen Geschmack. Das war definitiv die beste und bei weitem eleganteste Dolma-Version, welche wir jemals gegessen haben und dabei aromatisch absolut präzise umgesetzt. Das beherrscht bei weitem nicht jeder so gut wie hier. Schlichtweg exzellent.

Rinderfilet - Steinpiulze - Spitzkohl - Eingelegter Ingwer - Spinat - Bohnenkraut-Rosmarin-Thymian-Jus

Die Geschmackswelt, in welche uns der Hauptgang führt, lässt sich durchaus mit kreativ-findig beschreiben. Hierzu kombinieren Namo Wrede mit Team eine großzügige Tranche Rinderfilet mit Steinpilzen, geschmorter Spitzkohl mit reichlich gepickelten Ingwer-Julienne, Limonenöl, Eiskraut, in altem Balsamico marinierten Mirabellen, in Walnussöl marinierten Pflaumen, jungem Spinat und gießen das Ganze mit einem Bohnenkraut-Thymian-Jus an. Bei so vielen, unterschiedlichen Zutaten fällt es beim Lesen sicher schwer, den roten Faden zu finden. Beim Essen des Gerichts findet aber alles hervorragend zueinander, da sich vielfältige, eindrucksvolle, süß-saure und fruchtige Kontraste ergeben, welche eine tolle Balance zur herzhaften Welt aus Fleisch, Pilzen und Bohnenkraut herstellen. Dabei hält sich der Jus in seiner Intensität passend zurück und fungiert als Bindeglied zwischen den Aromen, welche mit einer würzig-kräutrigen Thymian-Note unterfüttert werden. Ein sensationell komponierter Hauptgang.

Shiso - Melonen-Variation - Yuzu

Im Dessert wird’s dann fruchtig und erfrischend. Hier serviert die Küche eine Variation  aus lokal angebauten Melonensorten mit Yuzu und einem Shiso-Sorbet. Der Dreiklang aus süßer Melone, parfümreicher Yuzu und Shiso funktioniert hervorragend und markiert den Schlussakkord in einem bemerkenswert hervorragenden Menü, welches– trotz und gerade wegen dessen Unkonventionalität - an keiner einzigen Stelle Fallhöhe demonstrierte.

Auch der Fokus auf großartige, regionale und hausgemachte Erzeugnisse (Saibling, Rind, Miso, Sojasauce, Gemüse) zeigt, dass man hier nachhaltig denkt, aber man auch nicht zu dogmatisch eingestellt ist, eine exzellente Norwegische Jakobsmuschel einzubauen. Das verdient größten Respekt und wir sind sehr gespannt wohin die Reise hier gehen wird.

 

Bis bald liebe Mary Jane,

 

dein Peter Parker

 

Alkoholische Getränkebegleitung

Fair kalkulierte Flaschenpreise und eine fokussierte Weinkarte auf sehr gutem Niveau. Seit November 2022 ist Spitzensommelier Jo Wessels aus dem Opus V**  ins Team dazugekommen, was die Weinherzen vieler Gäste sicher noch höherschlagen lässt.

Getränkebegleitung

Team

Philipp Kloss, Namo Wrede & Tim Keller (es fehlt leider: Max Raith )


Fazit:

Very nice & perfectly smooth!

Namo Wrede und Team zünden in beindruckender Location ein produktfokussiertes Omakase-Feuerwerk der Spitzenklasse ab. Immer gewürzt mit einer Prise Unvorhersehbarkeit und Produktschätzen aus dem Heidelberger Umland.


weitere informationen:

Adresse: Mary Jane Space
  Poststraße 36/7
  69115 Heidelberg
   
Webpage: https://mary-jane.space/
   
Servicezeiten: Freitag & Samstag ab 19:00 Uhr
   
 Chef de Cuisine/Patron: Namo Wrede
   
 Besuchskonditionen: Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt
   
 Kosten:

Omakase Ticket: € 95,-- p.P. exkl. Getränke

   
Auszeichnungen: folgen sicher ;-)
   
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