Gourmetrestaurant Nico Burkhardt*, Schorndorf - Vereinigung und kreative Vollendung

Veröffentlicht am: 03.03.2022

Wir sind zurück in der Geburtsstadt Gottlieb Daimlers und wunderschönen Altstadt von Schorndorf. Als Kulinariker gibt es momentan hier eigentlich nur eine Adresse und die ist besonders spannend: Das Gourmetrestaurant Nico Burkhardt mit lediglich 8 Sitzplätzen. Es ist wieder knapp zwei Jahre her, dass wir zuletzt hier waren und schon damals hat es uns Nico Burkhardts‘ Küche schwer angetan. Kaum jemand versteht sich so gut darin, Klassische Gerichten und Zutaten kreativ neu zu interpretieren.  Hier ist unser Bericht.

Außenansicht

Zurück in der pittoresken Remstal-Perle Schorndorf. Nach fast zwei Jahren war es wieder Zeit für ein Restaurant, welches es uns damals schon ziemlich angetan hatte. Dementsprechend sind natürlich auch unsere Vorfreude und Erwartungen.

In einer ruhigen Nebengasse unweit des malerischen Marktplatzes und in direkter Nachbarschaft zum Geburtshaus Gottlieb Daimlers befindet sich das beeindruckende Fachwerkhaus, das Boutiquehotel Pfauen, welches mit Nico Burkhardt nicht nur einen prominenten Geschäftsführer, sondern auch einen bedeutenden kulinarischen Pulsgeber gefunden hat. Hierzu hatten wir bereits in unserem letzten Bericht (hier) ausführlich geschrieben. 

Gastraum

Apérios

Wie schon vor zwei Jahren beindruckt Burkhardt direkt zu Beginn mit einer Armada an exakt gearbeiteten Petitessen. Schon das Löffel-Ei mit herzhaftem Linsenragout, Nussbutterschaum und Schnittlauch ist eine wahrhaft sensationelle Umamibombe, welche direkt genussreiche Stille am Tisch erzeugt. Auch die weiteren Snacks, wie ein Tartelette mit Thunfischtartar, Sesam,  Chili-Mayonnaise und Radieschen oder „Crab Cake von der Büsumer Krabbe" mit Melone zeigen eine bereits schöne Weiterentwicklung zu 2019, wo Burkhardt sehr zugängliche Geschmacksbilder in spektakulärer Präsentation wählte. Ein Cornet mit Rindertartar, Trüffelcreme und Kapern und ein hervorragendes Bao Bun mit gezupfter Poularde, Dijon-Senf-Creme und knackigem Kopfsalat schließen das makellose Quintett beindruckend ab. Wir sind sehr gespannt wie es weiter geht.

Amuse Bouche: "Meze Meze"

Burkhardts reizende Ehefrau Bianca stammt aus Griechenland, was Ihn wohl zum nächsten Streich inspiriert hat. Der Küchengruß thematisiert traditionelle griechische Vorspeisen („Meze Meze“). Kleine Souvlaki-Spießchen, das Signature-Amuse „Flüssige Olive“, ein dekonstruierter, griechischer Bauernsalat mit Tomaten-Eis, Gurkenblüte und Olivenöl-Kaviar und ein Mini-Pita Brot mit einem obligatorischen Klecks Tzaziki. Auch hier macht jede einzelne Speise Spaß. Uns gefiel die Art, wie Burkhardt kulinarische Themen entwickelt und darstellt bereits beim letzten Mal. Auch heute wieder ein Volltreffer.

Marinierte Gänseleber - Gin Tonic - Granny Smith Apfel - Zitrone

Das Menü startet offiziell mit marinierter Gänseleber. Burkhardt geht aromatisch und stilistisch mit diesem Thema einen unkonventionellen Weg und kombiniert die Leber mit Granny Smith Apfel, Gin Tonic und Zitrone, was auch voll aufgeht. Die Üppigkeit der Gänseleber ist auf keiner Gabel zu spüren, vielmehr hat dieser Gang sogar etwas total erfrischendes. Die ausgeprägte Fruchtsäure von Apfel und Zitrone mit der belebenden Herbheit des Tonics in Form eines kühlen Sorbets macht richtig Laune und ist hervorragend umgesetzt. Ein kleiner Gin Shot (ohne Bild) wärmt noch einmal nach. Ein sensationeller Einstieg.

Weinbergschnecke- Brombeere - Pilz - Frankfurter Grüne Soße - Gerste

Beim nächsten Gang, nimmt sich der 37-Jährige Berliner eine klassische, jedoch auf deutschen Menükarten rar gewordene Zutat vor: Die Weinbergschnecke. Und auch hier in eher ausgefallener Kombination und Präsentation (in einer halbierten Weinflasche). Ein grünes Gersten- Schnecken-Risotto wird mit Frankfurter grüner Sauce, sautierten Pilzen und säuerlicher Brombeere kombiniert. Das funktioniert auch hervorragend und erzeugt eine elegante Bühne für à Part servierte, gebackene Weinbergschnecken, von beindruckender Qualität. Auch wenn Schnecken in unseren Augen nicht den höchsten Genusswert haben, wird hier ein Gros des Potenzials ausgeschöpft.

Bretonischer Steinbutt & Kalbskopf - Blumenkohl - Eigelb - Lauch - Buttermilch - Kaviar

Mit der Konjugation von Land und Meer, besser gesagt Kalbskopf und bretonischen Steinbutt drückt Burkhardt mehr aufs aromatische Gaspedal. Den sanft gegarten Steinbutt flankiert er leicht mit Buttermilch, Blumenkohl, Lauchöl und Eigelbcreme und kontrastiert das Ganze mit einem himmlisch intensiven Kalbskopfragout mit einer großzügigen Nocke Imperial Kaviar. Das funktioniert hervorragend, aufgrund der zwei völlig unterschiedlichen komplementären Aromenbilder, welche spielend zueinander finden. Komplex, dennoch zugänglich und spannend. Zwei Tellerwelten und doch eine. Große Klasse. 

Gurke - Dill - NB Olivenöl

Eine kleine Abkühlung ist jetzt absolut willkommen. Bevor sie zum Hauptgang geht, serviert die Küche noch ein erfrischendes Gurkengranité mit etwas Dill und etwas NB Signature Olivenöl aus Kreta, welches von der Verwandtschaft von Nico Burkhardt’s Ehefrau Bianca mit traditionellem Handwerk auf Kreta erzeugt wird. Der kurzweilige Frischekick kommt genau zur richtigen Zeit. Der Hauptgang kann kommen.

Etouffée Taube à la BBQ - Mais - Geräucherte Paprika - Schwarzer Knoblauch - Grapefruit

…und der kommt auch mit anständiger Aromenwucht in Form einer Etouffée Taubenbrust à la BBQ, verschiedenen Maistexturen und einer rauchigen Jus, welche großzügig mit geräucherter Paprika abgeschmeckt wurde. Dazu gibt es noch etwas schwarzen Knoblauch und kongenial - wie wir finden – ein paar frische Grapefruit-Segmente. Auch schon bei unserem letzten Besuch servierte uns Burkhardt eine eigene Grillteller-Interpretation mit US-Beef Shortrip, welcher uns immer noch in Erinnerung geblieben ist. Dieser Teller wirkt sogar noch feinsinniger und ausgeklügelter. Die Taube ist wunderbar saftig, auf den Punkt und versteht sich hervorragend mit den rauchig-süßlichen Mitspielern. Hervorragend!

Fourme d'Ambert - Birne - Ivoire Schokolade - Nuss

Natürlich rollt hier kein klassischer Käsewagen durch den Gastraum, sondern auch hier wurden kreative Überlegungen angestellt. Der französische Edelschimmelkäse Fourme d'Ambert wird gekonnt mit einem kühlen Birnensorbet und Nüssen (u.a. schwarze Nuss und einer dekonstruierten Erdnuss) harmonisch kontrastiert. Auch wenn die Erdnuss in diesem Zusammenspiel vielleicht eher ungewöhnlich ist, hallt dieser Gang - trotz des makellosen Handwerks  - im Gesamtkontext am wenigsten nach. Am Ende überzeugt dieser eher klassische Käsegang natürlich, verweilt aber eher in der Kategorie >> aus den Augen, aus dem Sinn << - auf hohem Niveau versteht sich. 

"Der Trüffel"

Den süßen Teil des Menüs leitet Burkhardt wieder optisch wunderschön ein. Hierzu drapiert er eine Petrischale mit einem Schokoladen-"Trüffel", Himbeere und gehobeltem schwarzen Trüffel in einen ausgehöhlten Ast mit Moos und Kastanien ein. Der bekannte Geschmack aus intensiver Schokolade und Himbeere wird dabei sehr schön, und mit schöner aromatischer Linie von der fein-nussigen, aber auch erdigen Note des Trüffels auffrisiert. Sehr stark!

"Biene Maja" - Waldhonig - Mohn - Manjari Schokolade - Lavendel - Hafercrunch

Optisch ausnahmslos hübsch präsentiert sich auch das Hauptdessert. Dabei setzt Burkhardt wie immer auf eine visuelle Veranschaulichung des Themas "Biene Maja" in Form einer Bienen-Tuille (im Stile von Ben Murphy) und einem mit Gold bepuderten weißen Honig-Mousse in Bienenwaben-Form. Dabei steht die Anrichtekunst glücklicherweise nicht über dem Geschmackserlebnis, denn auch diese Enden bekommt Burkhardt glänzend zusammen. Lavendel, Hafer, Mohn und intensiv herbe Manjari-Schokolade mit 64% Kakao-Anteil liefern der Kreation wunderbare Akzente und unterstreichen schön das Thema Honig. Das ist kulinarischer Spaß auf allen Ebenen und eine wunderbarer Beleg für die Weiterentwicklung der Küche. Große Klasse!

Petits Fours

Auch die handgemachten Petits Fours überzeugen und werden restlos verputzt.

Gewisse Steigerungen zu unserem letzten Besuch waren durchaus bemerkbar. Burkhardts kapriziöse Vereinigung von Klassik und Kreativität wirkte heute zwar etwas weniger verspielt, dadurch aber auch mehr auf dem Punkt und somit stimmiger. Gleichzeitig bleiben seine Kreationen (im besten Sinne) unberechenbar und höchstspannend. Beseelt verlassen wir das Restaurant und wissen jetzt schon, diesmal wird unsere Wiederkehr keine zwei Jahre dauern wird. Gute Nacht und bis die Tage.

Weinbegleitung

Bianca (erste von links) & Nico Burkhardt (erster von rechts) mit Team

Wir machen es kurz: Burkhardts' Küche ist eine der herausragendsten und kreativsten der Region und darüber hinaus.