Veröffentlicht am: 21.12.2021
Inmitten Waiblingens Altstadt, im zweitältesten Haus der Stadt, kochen Bernd Bachofer und sein Team eine kreative Fusion aus französischer Küche und asiatischen Aromenwelten. Der MICHELIN-Stern folgte 2014. Nach mittlerweile 4 Jahren war es für uns wieder Zeit für einen Besuch.
Erste Male schließt man immer besonders ins Herz. So ist es bei uns mit dem Restaurant bachofer in Waiblingen, welches vor über 10 Jahren bei einem von uns den Grundstein für die Fine Dining-Faszination legte. Darüber hinaus ist das Restaurant unweit des pittoresken Marktplatzes in der Altstadt von Waiblingen, neben dem neuen Rathaus der Stadt, längst mehr als ein regionaler Geheimtipp – spätestens seit der Auszeichnung mit dem Michelin Stern im Jahr 2014. Bernd Bachofer eröffnete das Restaurant bereits im Jahr 2003 nach prominenten Stationen in der Region und auf Sylt und entwickelte eine spannende Fusion aus französischer Küche mit asiatischen Aromen. Schon damals gefiel uns der Ansatz, asiatische Saucen auf einer klassisch französischen Basis (etwa klassische Schmorfonds) aufzubauen.
Bachofers Wirkungsstätte ist das zweitältesten Gebäude der Stadt (Baujahr 1647), mit schicker blassblauer Fassade und weißen Fensterläden, in einer ehemaligen Apotheke. Gerade das verleiht dem Gebäude einen besonderen Charme, zumal man den Räumlichkeiten diesen Umstand (mit einer vollverglasten, einsehbaren Küche) und mondänen Einrichtungsstil nur auf den zweiten Blick ansieht.
Neben dem Gastraum, kann der Gast auch einfach und ungezwungen an der Bar („ESSBAR“) Platz nehmen. Seit 2019 können Gäste in 8 individuell eingerichteten Zimmern im hauseigenen Boutiquehotel nächtigen.
Neben den geschmackvollen Interieur, bietet sich im Sommer die Möglichkeit auf der Terrasse Platz zu nehmen, was an einem lauen Spätsommerabend wie heute natürlich unsere erste Wahl ist. Los geht's!
Fotocredit: Restaurant Bachofer
steckbrief bernd bachofer
geb. am 01.12.1967 in Waiblingen
Ausbildung zum Koch im Gasthof Hirsch, Stetten i. R.
Stationen (Auszug):
Jörg Müller, Sylt , Chesa Pirani, CH-La Punt, Zum Hirschen,
Fellbach
Wie schon vor 4 Jahren blubbert der Haus-Aperitif Hanoi mit Kaffir-Limettenblatt und etwas Eis im Glas. Hierzu wird ein Sirup aus u.a. Ingwer, Kaffir-Limette und Tonkabohne mit Prosecco aufgefüllt. Lecker erfrischend und gleichzeitig eine aromatische Einstimmung auf das Folgende. Wasabi-Erdnüsse und Rauchmandeln sorgen schon mal für etwas kurzweiligen Knabberspaß. Wir entscheiden uns für das volle Programm von 9 Gängen (€ 149,--).
Koshihikari Reis Süppchen & Dashi-Ei
Als Küchengruß folgen ein säurebetontes Koshihikari Reis Süppchen und ein "Dashi-Ei" - beides direkt trinkbar und handwerklich wunderbar umgesetzt. Hier werden
zwei wunderbar komplementäre Aromenpartner wunderbar mit- oder auch gegeneinander ausgespielt. Säure vs. Umami in Perfektion. Ein toller kulinarischer Start.
Japanische Waffel
Tuna Taco
Den Abschluss der Küchengrüße markieren zwei weitere Snacks. Bei einer (momentan häufiger anzutreffenden) Japanischen (Nori-)Waffel mit Miso- & Yuzu-Crème und dreierlei Kaviar vermissen wir etwas die Präzision, da die Waffel zusätzlich zu ihrer üppigen Proportionierung auch geschmacklich recht unfiligran wirkt. Sie ähnelt geschmacklich eher spanischen Churros. Beim Topping mit dreierlei Sorten Kaviar, Yuzu-Creme, Algenpulver und Mikro-Koriander will der Funke auch nicht so recht überspringen, zu sehr einehmend ist der üppige Geschmack der Waffel.
Der letzte Snack, ein hauchdünnes Taco mit mariniertem rohen Thunfisch mit Avocado macht dann wieder richtig Spaß und gibt das typische, stark ingwerbetonte "Bachofer-Aromenbild" wieder. Super lecker!
Bento-Box 2.0
Das Menü beginnt offiziell mit einer Diversa an minutiös präparierten Kleinigkeiten, welche exakt in eine Japanische Bento-Box mit kleinen Kästchen drapiert wurden. Die vorwiegend Sushi- und Sashimi-Spezialitäten vom Gelbflossen-Thunfisch, Bluefin-Otorro (Bauch), Lachs und Hiramasa Kingfisch zeigen bereits, welche Präzision hier verfolgt wird. Ein erfrischendes, kühles Gurken-Espuma mit Gurkenblüte überzeugt gleichermaßen, wie ein makelloses Thunfischtartar mit Miso-Eis. Alles weitere, von einem Wakame-Salat bis gepickeltem Gemüse ist alles wunderbar handwerklich umgesetzt. Auf diesem Niveau darf es gerne weitergehen.
Unagi vom Holzkohlegrill - Entenleber - Shisokresse-Süppchen - Daikan
Sehr gut gefällt uns auch die darauffolgende Kreation, welche auf einem (tatsächlich heißen) japanischen Grill serviert wird. Hier spielt die Küche mit der Kombination aus Unagi (japanisch marinierter und gegrillter Aal), gebratener Entenleber und Shiso, und serviert sie als Snack-Türmchen, welcher direkt - mittels Reis-Chip - vom Grill in den Mund wandert. Idee und Umsetzung sind tadellos. Das Fett der Leber potenziert das Umami des Aals in schöner Weise und wird geschickt von der minzigen Anisnote der Shiso elegant unterfüttert.
Hinzu serviert Bachofer ein Shiso-Kresse-Süppchen als Shot, welcher mit belebender Säure einen schönen Kontrastpunkt zur Entenleber setzt. Gut durchdacht, kreativ und hervorragend umgesetzt.
Japanische Ramen Suppe - Papada - Rotgamba - Pak Choi - confiertem Eigelb - Pfifferling
Wir betonen es ja hin und wieder: Wir lieben flüssiges. Deshalb war die Japanische Ramensuppe natürlich für uns Pflicht. Bernd Bachhofers Version mit Pfifferlingen, geschmortem Schweinekinn (Papada), Rotgamba, Pak Choi und konfiertem Eigelb hört sich nicht nur gut an, ist auch hervorragend umgesetzt. Insgesamt besitzt die umamireiche Brühe auch durchaus ein französisches Geschmacksbild, welches durch die Pfifferlinge natürlich noch etwas verstärkt wird. Wir lieben diese Art von Fusion und die Interpretation von Bernd Bachofer.
Miso Aubergine ∙ Yuzu-Melone ∙ Shiitake ∙ Cordy-Pilz ∙ Lauch Tapioka
Auf den Suppengang folgen verschieden zubereitete und asiatisch marinierte Gemüse und Pilze: Der Klassiker: Miso-Aubergine (als Püree), ein Quader Wassermelone, welcher mit etwas Yuzu parfümiert wurde, ein schöner, gebratener Shiitake-Pilz und Cordy-Pilze. Besonders gelungen ist der grasgrüne (überhaupt nicht asiatisch aromatisierte) Lauchsud, mit kleinen Tapioka-Perlen mit sichtbarem, festen Stärkekern, welcher schön säurebetont (vermutlich mit hellem Balsamico) und klassisch mit einem Fond (evtl. Geflügel oder Gemüse) zubereitet wurde. Auch wenn wir alles wirklich lecker finden, ist das Gericht irgendwie nicht rund. Wir vermissen klar den roten Faden. Ein relativ ungleichmäßig, mit Tempurateig überzogenes Shiso (Perella)-Blatt und beliebig à-part servierte, ziemlich indifferente, grasgrüne Tapioka-Cracker wirken etwas verloren und willkürlich - vermutlich der Textur wegen - dazu platziert. Hier hätten wir eine Fokussierung und Reduktion auf weniger Zutaten und klare Aromen begrüßt.
Fjordforelle - Tomaten Texturen - Tomaten-Quinoa - Estragon
Eine exzellent (bei 60 Grad) gegarte Tranche Fjordforelle bekommt es im folgenden Gang mit Tomate und Estragon zu tun. Neben einer Tomaten-Hollandaise (ähnlich einer Sauce Choron), halb getrockneten Tomaten, bilden ein Tomaten-Quinoa-Salat und ein intensiver Estragon-Schaum einen vertrauten Aromenteppich. Die Küche schlägt diesmal keine Brücke nach Asien, sondern belässt die Kreation weitestgehend in französischem Fahrwasser. Leider wirkt dieser Gang genau deshalb extrem konventionell und ausdruckslos. Auch die Verwendung von Quinoa und getrockneter (nahezu ungenießbarer) Tomatenhaut als texturelles Element will sich uns nicht so recht erschließen. Hier wäre definitiv mehr drin gewesen. Schade.
Nimm 2 vom Blackmore Wagyu Flank Steak - Gurken-Ingwerkonfit - Teriyaki - Kartoffel-Topinambur Püree - rotes Zwiebel-Kimchi
Der darauffolgende Fleischgang lässt diesen kleinen Wermutstropfen aber schnell vergessen. Denn hier zeigt die Küche, auf welchem Niveau sie Fusion-Küche beherrscht. Hierzu setzt sie einer rosa gegrillten Tranche (Flank) und einem Dim Sum vom Blackmore Wagyu in ein sensationelles Spannungsfeld aus herrlich frischem Gurken-Ingwer-Konfit, mit buttrig schaumigem Kartoffel-Topinambur-Püree, würzigem "Kimchi" aus roten Zwiebeln und etwas Teriyaki-Jus (mit merklich französischer Basis). Aromensatt, frisch und herrlich balanciert. Ein Teller mit Überwältigungspotenzial!
Miral Taube „Oaxaca“ ∙ Mole -Jus ∙ Mais-Texturen
Auch die Taube (Brust und Keule) mit mexikanischer Aromenfärbung und kräftigem und leicht pikantem Mole-Jus und Maistexturen (Creme, gerillt, jung und als Eis) gefällt uns sehr gut. Wir fragen uns lediglich, ob die Repetition von Bachofer's gern gewählter asiatischen Geschmackswelt (viel Ingwer, Zitronengras, Kaffir-Limette) beim Mais-Eis nicht etwas zu viel des Guten ist. Am Ende ist es Geschmackssache. Handwerklich ist der Teller wiederum aber große Klasse.
Gebackener Ziegenkäse - Himbeer-Paprika Sorbet - Basilikum - Balsamico-Himbeere - Sauerteig-Crumble
Nach der dargebotenen Aromenvirtuosität, wirkt der Käsegang schon eher einfach gestrickt. Hier schlägt die Küche etwas Ziegenfrischkäse in Filot-Teig ein und backt diesen knusprig im Ofen aus. Und um das Ganze nicht zu profan werden zu lassen, wird die "Teigtasche" mit einem sehr guten Himbeer-Paprika-Sorbet, Basilikumcreme, Sauerteig-Crumble und mit Balsamessig gefüllte Himbeeren kontrastiert. Das ist zwar alles andere als beklagenswert, aber natürlich auch nicht euphorisierend. Handwerklich ist das Ganze (natürlich) tadellos umgesetzt, leidet aber etwas an aromatischer Trivialität. Trotzdem lecker!
Matcha - Kokos - Passionsfrucht
Im pre-Dessert wird's gleich exotisch. Hier serviert die Küche eine gelungene Mischung aus Matcha, Kokos und Passionsfrucht. Letzteres als leckeren Shot, welcher optisch und (skurilerweise) offensichtlich beabsichtigt an Bier erinnert. Ein Matcha-Schokoladentäfelchen, Matcha-Mascarpone-"Kissen" und weitere Texturen machen das Dessert kurzweilig und willkommen erfrischend. Sehr gut.
New York Cheese-Cake - Salz-Karamell Eis - Heidelbeeren - Big Apple
Auch das Hauptdessert ist absolut solide und thematisiert auf kreative Weise NYC. Neben einer Schnitte New York Cheese Cake, eingelegten Blaubeeren und einer Nocke Salzkaramell-Eis, ist vor allem der dekonstruierte, grüne Apfel (der „Big Apple“) schöner Kontrast und Eye Catcher zugleich. Wir haben nichts auszusetzen und genießen bei dieser unkomplizierten Soulfood-Dessertkreation den lauen Abend und schwelgen in Erinnerungen an die letzte New York-Reise. Ein schöner Abschluss des Menüs allemal.
Restaurantleiter und Frohnatur Robin Wendler führte uns mit seiner herzlichen, humorvollen Art gut durch den Abend. Natürlich haben wir die profilierte, aromenstarke Küche und das glänzende Handwerk von Bernd Bachofer und seinem Team direkt wieder erkannt. Allerdings waren für uns im heutigen 9-Gang-Menü auch ungewöhnlich oft Niveauschwankungen feststellbar. Während die meisten Gänge grandios aromatisch komponiert waren, wirkte so manche Kreation wie aus dem Baukasten gewürfelt und dadurch eher – wohlgemerkt auf hohem Niveau - beliebig. Schwamm drüber. Denn eines steht natürlich auch an diesem Abend fest: Bachofer ist einfach Kult!
Alkoholische Getränkebegleitung
Viel Remstal und die weite Welt. Die ausgesuchten Weine von Sommelière Gabriela Predatsch waren makellos und passend ausgewählt.
Team
Bernd Bachofer (4. von links) mit Team
FAZIT
Keine Frage, das Restaurant bachofer ist einfach Kult! Mit beeindruckendem Handwerk und Herzblut entstehen hier wunderbar umgesetzte und weltoffene Aromenfeuerwerke. Etwas mehr Tiefe und
Reduktion hätte manchen Gängen durchaus gut getan, um die kulinarische Begeisterung konstant am Anschlag zu halten.
weitere informationen:
Adresse: | Restaurant bachofer |
Am Marktplatz 6 | |
71332 Waiblingen | |
Webpage: | https://www.bachofer.info |
Öffnungszeiten: | Mi. - Sa.: 18:30 - 00:00 h / Do: Lunch 12:00 - 14:30 h |
Chef de Cuisine / Patron: | Bernd Bachofer |
Datum des Besuchs: | 08.09.2021 |
Besuchskonditionen: | spontan reserviert, 100% selbst bezahlt |
Kosten: | € 94,-- (4 Gänge) - € 149 (9 Gänge) / Lunch-Menü: 3 Gänge ab € 40,-- |
Weinbegleitung: € 9,--/ 0,1 L | |
Auszeichnungen: | 1 Stern (Guide Michelin 2021) |
15 Punkte (Gault Millau 2021) | |
4 Hauben (Der Große Guide 2021) | |
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