Restaurant auf Schloss Filseck*, Uhingen - Eine Ode an Italien

Veröffentlicht am 07.08.2020


Das Renaissance-Schloss Filseck im schwäbischen Filstal (rund 40 km südöstlich von Stuttgart) thront ehrwürdig über den verträumten Ortschaften Uhingen und Faurndau.

Die Geschichte des Vierflügelbaus begann bereits im 13. Jahrhundert und seither diente es Grafen, Rittern und ehemaligen Bürgermeistern als Residenz. Im Jahre 2008 ging das Schloss in den Besitz der Stiftung der Kreissparkasse Göppingen über und wurde immer mehr zur Event- und Kulturlocation umfunktioniert und modernisiert. Kürzer könnte man über 700 Jahre Geschichte wohl nicht umreißen.

Uns interessiert vor allem die jüngste kulinarische Geschichte des darin befindlichen Restaurants. Diese schreibt seit 2012 Küchenchef Daniele Corona mit bemerkenswert eigener Handschrift, nämlich avantgardistisch italienisch inspiriert.

Der mittlerweile 43-jährige mit Sardischen und Sizilianischen Wurzeln hatte zuvor schon prominente Stationen (u.a. das Gourmetrestaurant Königshof*  in München) durchlaufen. Nach einigen, regionalen Station wie dem Restaurant top air * oder zuletzt im Restaurant Goldberg in Fellbach, war er bereit für die Herausforderung auf dem historischen Schloss - und die haben es wahrlich in sich.

Denn neben dem Gourmetrestaurant werden hier ausgiebig Hochzeiten, Firmenevents oder Geburtstage gefeiert und so können es plötzlich hunderte Couverts pro Abend sein. Auch wenn das Gourmetrestaurant während solchen Veranstaltungen geschlossen ist, so obliegt die erstklassige Verköstigung der Heerscharen, welche sich auf bis zu drei parallele Veranstaltungen verteilen können, ebenfalls Daniele Corona nebst 5-köpfiger Küchenmannschaft. Bei so großen Herausforderungen und Teamgeist ist der ruhige italienische Ton in der Küche wenig verwunderlich. 

Die Verleihung des Michelin-Sterns in diesem Jahr für das Gourmetrestaurant war für die meisten längst überfällig. 

Innenhof

Über einen Torbogen mit großem Holztor erreicht man das Restaurant. Der malerisch schöne, große Innenhof ist wahrlich ideal für Festivitäten und Konzerte. 

Gastraum

Der Gastraum ist elegant und stellt geschmackvoll die historischen, unverkleideten Schlossmauern mit dezentem Beleuchtungskonzept zur Schau. Alles schnörkellos und wunderbar inszeniert. 

Das Menü Daniele Corona beinhaltet bis zu 7 Gänge (€ 150,--) und lässt sich beliebig auf 3 Gänge verkürzen. Wir nehmen natürlich das volle Programm und die fair bepreisten, korrespondierenden Weine (€ 85,--) gleich mit dazu. Andiamo!

 

Antipasti & Brotauswahl

Zu einem Glas Ruinart Rosé Champagner folgt bereits eine beeindruckende Antipasti- und Brotauswahl. Neben Ziegenfrischkäse aus dem benachbarten Heiningen, welcher mit italienischen Zutaten verfeinert wurde, werden ligurische Oliven, gepickelte Borettane Zwiebeln aus Venetien, fluffige Nduja-Gnocchi mit Ofenpaprikacrème oder deftige Wildschweinsalami gereicht. 

Die schöne Auswahl ist ein tolles Display verschiedener Antipasti-Sorten aus ganz Italien. Das ausgezeichnete Brot wird von einer feine gesalzenen Honigbutter mit weißem Trüffel und Blütenpollen begleitet, welche - mit Docht versehen - als Kerze gereicht wird. Die Flamme erwärmt die Butter etwas und potenziert das feinerdige Trüffelaromen dadurch zusätzlich. Ein wunderbar gelungener kulinarischer Einstieg mit Blickfänger. 

Polpo e Patate à la Daniele Corona

Mit einer hauseigenen Interpretation eines italienischen Klassikers hält die Küche noch einen weiteren Küchengruß vor. Polpo e Patate kennt man eigentlich eher als kalten oder lauwarmen Salat aus Oktopus und Kartoffeln. Daniele Corona und Team liefern hier eine kraftvolle und heiße Neuinterpretation ab, indem sie eine intensive Oktopus-Bolognese als Grundlage hernehmen. Diese verzieren sie mit knusprigem Oktopus, verschiedenen Kartoffeltexturen (Espuma und knuspriges Stroh), Petersilie (als Öl und frittiert), etwas Amalfi-Zitronen-Abrieb und einer Prise Algenstaub. Die völlig neue Wiedergabe der Zutatenkombination mündet in einem süffig, schlotzigem Texturenspiel voller Salz und Glückseligkeit. Das macht richtig Lust auf das noch Kommende. 

N25 Kaviar - Norwegischer Kaisergranat - Presa Iberico - Sauerklee - Kiwi - Krapfen

Der erste Gang des Menüs steht unter dem Supernym Surf'n Turf.

Daniele Corona drapiert eine Nocke Langoustinen-Tartar auf ein Podest aus Iberico Tartar in eine Kaviar-Dose. und fügt eine fruchtig-säuerliche Sauce aus Kiwi und Oxalis (Sauerklee) hinzu. Ausgarniert wird das Ganze mit etwas N25-Kaviar vom Stör und frischen Oxalis-Blättern. Dazu gibt es einen, mit Honig glasierten Krapfen mit Zitronenschmand-Füllung. 

Die unkonventionelle Aromenvermischung funktioniert tatsächlich hervorragend, was hauptsächlich daran liegt, dass hier die Ursprünglichkeit der Produkte im Fokus steht. Sowohl das süßlich, nussige Tartar der Langoustine, als auch fleischige Carne Cruda von der Iberico-Schulter schmecken genau nach sich selbst und werden mit fruchtiger Säure und feinem salzig-nussigem Kaviar lediglich geschickt akzentuiert. Der Krapfen mit etwas abwechslungsreicher Süße und Zitrusnote ist ein tolles Gadget und schmeckt ebenfalls wunderbar. Toller, leiser Auftakt!

Ode an den Parmesan in 5 Strophen

Bereits jetzt kommt der geschmackliche Gegenangriff in Form einer wahrhaftigen Umami-Bombe. Hier bedient man sich keinem geringeren Vorbild als Massimo Bottura. Als Hommage an Botturas' Gericht The Five Ages of Parmesan, wird hier eine Ode an den Parmesan in 5 Strophen angestimmt. Die Entourage bilden jedoch nicht Birne und Quitte, sondern gegrillter Topinambur und rotes Zwiebelkonfit. Stimmig gesellen sich 5 Parmesanzubereitungen (Panna Cotta, Espuma, Chip, Eis und frisch geschnitten) dazu, welche mit ihren unterschiedlichen Temperaturen und Texturen einen schönen Spannungsbogen erzeugen. Am Ende des Tages ist es nur Parmesan, aber auch tief befriedigend und voller Harmonie. Ein schöne, eigenständige Interpretation der Legende aus Modena! 

Artischoke - Bottoni - Milchkalbsbries - Süßholz - Bio Eigelb Bottarga

Die italienische Aromenreise geht weiter. Als nächstes präsentiert uns die Küche einen italienischen Pastaklassiker, welchen man hierzulande nur selten antrifft: Bottoni. Die ravioliähnliche Nudeltasche, die an einen großen Knopf (Bottone = Knopf) erinnert, wird hier mit Artischockenfüllung und feiner Gewürzhaube aus geriebenem Bottaga und fermentiertem Limettenstaub serviert. Hinzu kommen weitere Artischockenzubereitungen (Chip und Crème) und mit Süßholz mariniertes und glasiertes Milchkalbsbries. Auch hier liegt der Reiz in der unbeirrbaren Unkonventionalität des Gerichts. Während die grünen und leicht herben Noten der Artischoke sehr schön mit der feinen, mit Umami angereicherten Lakritznote des perfekt zubereiteten Kalbsbries interagieren, sorgen die schlotzigen Pasta-Knöpfchen für feine Üppigkeit. Kein geschmackliches Irrlicht, sondern mit perfekter Zugänglichkeit komponiert und hervorragend gelungen!

Schwarzer Seehecht - Blumenkohl in Texturen - Rucola - Kapern

Schnörkellos und ausnahmslos hübsch geht es in den Fischgang über, welcher eine schneeweiße Tranche vom schwarzen Seehecht in den Mittelpunkt rückt. Flankiert wird der Meeresfisch, welcher etwas mit Miso, Sake und Mirin glasiert wurde, mit Blumenkohltexturen (gepickelt, knackiger Salat und als Couscous), Rucola (als Öl und mariniert), einem Pesto aus Rucola, Kapern und Pinienkernen und frittierten Kapern. 

Wieder ein Gericht, das nur wenige Worte benötigt und gerade durch den leichten japanischen Touch enorme, harmonische Eleganz eingehaucht bekommt. Souverän, leise und viel italienischer Feinsinn. Ganz toll!

Eifeler Ur-Lamm  - Erbsen - Zwiebel 

Mit dem Hauptgang kommt dann ordentlich geschmacklicher Kanonendonner. Ein perfekt rosa gegarter Lammrücken vom Eifeler Ur-Lamm wird mit einem Türmchen aus Zwiebelconfit und frittierten Schalottenringen garniert und mit frisch gepulten Erbsen von sensationeller Qualität kombiniert. Hinzu kommt eine dichte und aromatische Jus. Wer jetzt (verständlicherweise) direkt gutbürgerliche Gasthausküche vermutet, wird wieder eines Besseren belehrt. Denn auch hier eliminieren geschickte Nuancen absehbare Geschmacksklischees sofort. Das Zwiebelconfit wurde mit etwas Vanille abgerundet und der Lammrücken mit fruchtig-herben Olivenöl abgeglänzt. Bemerkenswert einfach und reduziert, und dafür mit umso mehr Wohlgeschmack und sensationellen Produkten. Fantastico!

Apropos italienisch, à part serviert die Küche noch eine Schale mit einem offenen Ravioli, welches mit Lammragout aus der Schulter gefüllt wurde und mit feinen Ziegenkäse-Krümeln und wiederum perfekt (mit frischer Minze) glasierten Erbsen eine tolle Harmonie eingeht. Einmal mehr grandioso!

Aprikose - Sesam

Nach so viel Gaumenkino, folgt schon der nächste Knaller im Vordessert. Auch wenn die texturelle Variierung von Aprikose zunächst eher trivial wirkt, so erwischen wir uns doch bei einem seichten, ungläubigen Kopfschütteln. Es schmeckt nämlich schlichtweg sensationell, was nicht zuletzt an der tollen Symbiose mit Sesam liegt, welche die Küche als geschickten Kontrast wählt.

Zu fein sous-vide gegarten Aprikosen und einem perfekten Aprikosen-Sorbet gesellen sich noch papierdünne Sesamcracker und ein feiner Aprikosen-Sesam-Sud am Tellerboden. Wunderbare intensiv mit viel frischer Säure und somit die maximal elegante Einstimmung auf den süßen Teil des Menüs. 

Yuzu - Echte Wasabi Wurzel - Koriander

Das Hauptdessert schlägt die Brücke nach Japan.

In eine tiefe Schale werden eine Yuzu-Crème Brûlée, Wasabiwurzel-Espuma und eine Nocke Koriandereis übereinander geschichtet und mit kandiertem Wasabi, frittierten Korianderblättern und getrockneter, karamellisierter Milch arrondiert. Das (wiederum ausgefallene) Gericht polarisiert zugegebenermaßen etwas an unserem Tisch.

Während das feine Yuzu-Parfüm sich sehr gut mit der leichten Wasabi-Schärfe und dem Koriander versteht, erzeugen die einzelnen Schichten untereinander dennoch geringe Dissonanzen, was sicherlich auf die unterschiedlichen Salzgehalte und Geschmacksbilder zurückzuführen ist. Das Dessert wird aber gerade dadurch hochspannend und reizvoll, was uns persönlich sensationell gut gefällt. Hierzu gehört schon eine respektable Menge Selbstvertrauen.

Summa summarum, ein Schichtdessert, das man entweder innig liebt oder skeptisch betrachtet. Wir hatten beide Gefühlswelten am Tisch und die Stimmung hat sicher zu keiner Zeit darunter gelitten - im Gegenteil. 

Fenchel - Buddhas Hand - Anis

Aber es gibt auch noch eine wesentlich italienischere Dessert-Alternative, nämlich eine eine elegante Fusion von Zitrus-, Fenchel- und Anisnoten.

Eine Zitronen-Milchcreme wird mit einer Fenchel-Bavarese, etwas Zitronenmarmelade, Anis, Fenchelöl und einem frischen Fenchelsalat getoppt. Einen weltoffenen Twist erfährt das Gericht durch etwas frisch geriebener Schale der asiatischen Zitrusfrucht Buddhas Hand und etwas Fingerlimes. Die Komposition lässt das mannigfaltige, ätherische Zitrusnotenspiel mit feinen Anisnoten schon erahnen. Die Aromatik ist dadurch so schon komplementär wie zugänglich zu gleich. Bellissimo!

Edelkäse aus Italien - Früchtebrot - Schwarze Nuss

Aus Italien kommt natürlich auch noch exzellenter Käse, was zum Abschluss des Menüs mit einer schönen Auswahl unterstrichen wird. Vom bekannten Schafskäse Pecorino Sardo, über sehr intensiven Büffel-Salvacremasco aus der Lombardei bis hin zum Taleggio ist alles dabei. Klassisch mit Früchtebrot, Feigensenf und schwarzer Walnuss serviert, eine wahre Freude für uns Käseliebhaber. 

Ganz zum Schluss schüttelt die Patisserie noch ein paar makellose Petits Fours aus dem Ärmel. Perfekt zum Espresso und ebenfalls wunderbar gelungen.

 

Die herzlich italienische Atmosphäre und Gastfreundschaft, welche der Service und Daniele Corona mit seinem Team versprühen grenzt schon an Magie. Das Schloss-Ambiente tut sein übriges. Wie ein kleiner Kurzurlaub in Italien, immer eine gute Idee und mindestens einen Stop wert. 

 

 

Alkoholische Getränkebegleitung

Die heutige, von Sommelier Guiseppe Messina* kredenzte, Begleitung, beinhaltete neben schönen Weinen auch italienische Spezialitäten, wie einen hausgemachten Limoncello oder einen Brand aus Kaktusfeigen vom Fuße des Ätna. Alles stimmig und wunderbar ausgewählt. 

Getränkebegleitung

Aperitif Ruinart Champagner Rosé
Amuse: Polpo e Patate Domaine Alphonse Mellot, Sancerre "La Moussiere", Loire, 2018
1. Gang: Surf'n Turf Weingut Heid, Pinot Menieur Rosé, Fellbach, Württemberg, 2018
2. Gang: Parmesan Château Fuisse, Pouilly-Fuisse, Tête de Cru, Cardonnay, Burgund, 2012
3. Gang: Artischocke Le Filigare, Baberin Val D-Elsa, Chianti Classico, 2017
4. Gang: Seehecht Fritz Haag, Riesling Brauneberger Juffer GG, Mosel, 2015
5. Gang: Lamm

Bodegas Alion, Penafiel, 2013

Dessert: Yuzu / Wasabi Hausgemachter Limoncello
Dessert: Fenchel Aquavite di Fichidindia Dell'Etna
Käseauswahl Chateau Lafaurie-Peyra, Bordeaux, 2013
   

* mittlerweile nicht mehr für das Restaurant tätig

DAS TEAM

Daniele Corona (links) mit Team


FAZIT

Italienisch inspirierte Spitzenküche mit klaren Aromen und ohne Klischees. Daniele Corona und sein Team zelebrieren ihre Wurzeln und feuern aus allen Läufen wunderbar stimmige Kreationen voller Elan. Kurzum eine Ode an Italien und echte Bereicherung für die Region.


weitere informationen:

 

Adresse: Restaurant auf Schloss Filseck
  Schloss Filseck 1
  73066 Uhingen
   
Webpage: www.restaurant-auf-schloss-filseck.de
   
Öffnungszeiten: Dienstag - Samstag: 12:30 - 14:30 h / 18:00 - 22:30 h (Sa. nur abends)
   
Chef de Cuisine: Daniele Corona
   
Besuchskonditionen: Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt
   
Kosten: 7 Gänge €150 / korrespondierende Weine€ 85,-- 
  Gangzahl auf 3 Gänge reduzierbar
   
Datum unseres Besuchs: 26.05.2020
   
Auszeichnungen: 1 Michelin Stern (Guide Michelin 2020)
  3 Hauben (Großer Guide 2020)
   
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