Ösch Noir, Donaueschingen - Im Schwarzwald glänzt der Tau

Veröffentlicht am 20.07.2020


Wenn große Unternehmer Geld in die Hand nehmen und in Hotels investieren wird selten gekleckert, wie man nicht nur in Hamburg bestaunen kann. Auch die Schwarzwald-Baar Region hat von Aldi-Mitbegründer Karl Albrecht ein fabulöses Golf-und Wellnesshotel geschenkt bekommen, den Öschberghof in Donaueschingen. Natürlich nicht gänzlich uneigennützig, sondern eher Albrechts Leidenschaft für den Golfsport geschuldet.

Das ist jetzt über 40 Jahre her und seither wurde die Geschichte des Öschberghof kontinuierlich weiter erzählt und seit kurzem präsentiert sich das Hotel in erneuerten, modernen Gewandt. Über die Investitionssumme, die dafür notwendig war, lässt sich nur spekulieren – mindestens 55 Millionen Euro sollen es aber gewesen sein. Wir sind heute hierhergekommen, um das kulinarische Flaggschiff des Nobelhotels, das Gourmetrestaurant Ösch Noir, zu besuchen.

Außenansicht (Fotocredit: Öschberghof)

Das imposant große Hotelgelände nebst 45 Loch-Golfplatz liegt bereits in feinen, noch durchsichtigen Nebelschwaden. Die verschneiten Tannenwipfel und die Stille erzeugen bereits ihr eigenes Flair.

Die Innendesigner haben es erstaunlicherweise geschafft, eben diesen Flair im Innern des Hotels fortzuführen. Mondäne Elemente, wie tausende Glaskugeln, welche den Tau des Schwarzwalds symbolisieren sollen, hängen in Ketten von der Decke. Das Beleuchtungskonzept der eleganten Gänge mit schicken Möbeln ist perfekt abgestimmt. Hier hat sich jemand viele Gedanken gemacht, viel Geld in die Hand genommen und jede Einzelheit konzeptionell zu Ende gedacht. Kein Sammelsurium aus mehreren Jahrzehnten, weniger für den Traditionalisten mit Faible für Trachten und Bollenhut, umso mehr für den kosmopolitischen Gast, welcher den Schwarzwald und die Hügellandschaft der Baar eher elegant interpretiert und modern erleben möchte.

Beim Betreten des Restaurants weht einem schon etwas Tannenduft um die Nase. >> Die Saunalandschaft des Spa-Bereichs befände sich in unmittelbarer Nähe und momentan hätte man eben Tanne aufgegossen <<, sagt man uns. Auch hier glauben wir nicht an einen Zufall. Denn das Restaurant wird bis ins kleinste Detail Deutschlands größtem Mittelgebirge gewidmet und drückt das nicht nur im Namenszusatz "Noir" aus. Die Wände stilisieren Nadel- und Laubwaldabschnitte und Glaskugelketten (Schwarzwald-Tau) formen schicke, runde Séparées. Beeindruckt wäre das falsche Wort, wird sind geflasht. 

Wir nehmen auf den großzügigen, runden Lederbänken Platz und freuen uns auf spannende Kulinarik, auf welche die kürzlich verliehenen 16 Punkte des Gault Millau definitiv hindeuten. Bei einem Gas Rieslingsekt von Schloss Neuweiher treffen wir unsere Wahl.

Im Ösch Noir gibt es exakt zwei Menüs. Das Menu Noir (bis zu 7 Gänge zu € 169,--) mit offenkundig weltoffen interpretierter französischer Küche, welche keine Dogmen oder einen direkten Bezug auf den Schwarzwald erkennen lässt.

Gänzlich eigenständige, vegetarische Gerichte offeriert das zweite Menu Vert (7 Gänge zu € 157,--).

Die Weinkarte ist dann wiederum eine weitere Klasse für sich und enthält über 500 Positionen. Die offenen Weine reichen von günstig bis Château Petrus (ca. € 330,-- pro Gläschen - ob 0,1 oder 0,25 haben wir nicht notiert). Michael Häni, der Sommelier und Schatzwächter, hat zu jedem Wein eine kurzweilige Geschichte parat und ist immer für ein Späßchen zu haben. So haben wir es gern.

Gastraum

Küchenchef Manuel Ulrich (32) ist selbst ein Kind der Region. Den gebürtigen Donaueschinger zog es direkt nach dem Abitur in die Kochausbildung im Öschberghof. Eine Prise Christoph Rüffer und ein Hauch Torsten Michel – bei beiden Spitzenköchen verbrachte er jeweils ein halbes Jahr – und die Weiterbildung zum Küchenmeister feilten noch etwas an seiner Präzision und so kam er in die Heimat zurück, um Anfang Dezember 2018 das Ösch Noir zu dirigieren. Mit Julian Lechner hat er einen kompetenten Co-Piloten an seiner Seite. Lechner war zuvor Sous Chef im Hotelgast-Restaurant des 5-Sterne Superior Hotels Bareiss in Baiersbronn. Das sind viele vertrauensschaffende Argumente und natürlich werden wir heute auch nicht um das große Menu Noir herumkommen. 

Brotchip - Ratatouille-Sphäre - Aioli

Reibekuchen - gebeizter Faröer Lachs - Meerrettich

Entenleber-Lolly - Himbeere - Cashew

Passend zum Aperitif serviert die Küche drei präzise gearbeitete Apéros. Den Anfang macht - in bester Klaus Erfort-Manier - ein Brotchip mit einer fein abgeschmeckter Ratatouille-Sphäre, dazu ein Klecks Aioli und wunderbar ist die Fingersnack-Interpretation des mediterranen Gemüsegerichts. 

Auch der gebeizte Lachs auf einem kleinen Reibekuchen mit etwas Meerrettich-Crème schmeckt wunderbar abgestimmt mit feiner Schärfe. Zum Schluss noch der Lolly von der Entenleber mit kühlem, angenehmen feinem Schmelz, crunchiger Cashew-Nuss Ummantelung und ein Kleckser süß-säuerliche Himbeere. Ein bärenstarker Beginn.

Bouillabaisse

Auch das Amuse Bouche, eine eigene, eher bretonische Interpretation der Bouillabaisse, ist nicht von schlechten Eltern. Schon beim Eingießen des tiefaromatischen Bouillabaisse-Suds auf Krustentier und Muschel-Basis in die Jakobsmuschelschale nimmt die Nase dessen Intensität mit feiner Safran-Spitze am Tisch auf. Dünne Scheiben von Jakobsmuscheln, feines Bouchot-, Stab- und Herzmuschelfleisch, Sauce Rouille-Tupfer und seidig schimmerndes Krustentieröl werden von der dichten, schön salzigen Essenz umspült. Eine tolle Interpretation des Klassikers, welche eine wahre Freude ist. Sensationell. 

Kingfish - Imperial Kaviar - Kopfsalat - Pomelo - Buttermilch

Wir bleiben auch beim ersten Gang weitestgehend in Europa, auch wenn es die Hauptzutat anders vermuten lässt. Der Kingfish oder Pacific Yellowtail kommt nämlich nicht wie üblich aus Japan oder Australien, sondern aus einer nachhaltigen Zucht aus den Niederlanden - ohne Chemie oder Antibiotika.

Die Küche drapiert drei präzise geschnittene, gebeizte Scheiben auf dem Teller und kombiniert sie mit einer großzügigen Menge Imperial Kaviar, Kopfsalat (mariniert und als Crème), Schnittlauch (Crème und Spitzen), Pomelo-Segmenten und einem Buttermilchsud mit feinen Schnittlauchöl-Perlen. Der Start ins Menü gelingt hervorragend, welches nicht nur der erstaunlichen Fischqualität zu verdanken ist. Die Fusion von feiner Jodigkeit mit verschiedenen Säurenoten (Pomelo und Buttermilch) und zwiebliger Schärfe des Schnittlauchs ist wunderbar harmonisch ausbalanciert. 

Juvenil Ferkel - Pulpo - Broccoli - Eigelb - Ramen-Brühe

Dass Manuel Ulrich einen Faible für beherztes Würzen und intensive Aromatik hat, beweist er eindrucksvoll beim nächsten Gang. Hier kombiniert er spielend souverän kross gegrillten Bauch vom Juvenil Ferkel mit geröstetem Pulpo. Ein heiß angegossener Ramen-Sud mit Schwarzwald-Miso, etwas Eigelb-Creme, Nori-Chips mit feinem Togarashi schlägt die Brücke nach Japan und enthüllt die Idee einer dekonstruierten Ramen-Suppe. Wilder Broccoli (mariniert und gebraten und als Crème) vervollständigt ein herrlich interkontinentales Gericht, welches die bewährte Kombination aus Pulpo und Schweinebauch elegant neu interpretiert. Eine echte Wucht!

Bretonische Seezunge - Kartoffel - Finger Limes - Gurke - Dill

Auch bei der bretonischen Seezunge bleibt die Küche diesem Motto treu und hüllt den Evergreen der Haute Cuisine in ein mondänes Gewandt. Hierzu wird eine mit Kartoffelknusper bedeckte Tranche in einer feinen Austern-Nage mit ätherischem Dillöl gebadet und mit säuerlich marinierten Gurkenröllchen und Fingerlimes getoppt. 

Die Kontrastierung mit der spritzigen Säure der australischen Fingerlimette und der eleganten Frische von Gurke und Dill, sowie die offenkundige Entledigung einiger Altlasten der klassischen Hochküche, machen dieses Gericht besonders hervorragend. Wir vermissen definitiv keine Buttersauce. Ein weiteres Ausrufezeichen.

Satellit:  Pléiade Poget Auster - Kartoffel - Gurke - Dill

À part serviert die Küche noch eine kleine Variation des Haupttellers mit pochierter Pléiade Poget Auster, einer Spezialität von der Charente-Maritime an Frankreichs' Westküste. Das süßlich-milde, perfekt gegarte Austernfleisch wird auf einem lauwarmen Kartoffelsalat mit Schmorgurken und Dillcrème serviert. Eine wunderbare stimmige Kreation mit einem tollen Hauptprodukt. Sensationell!

Kalbsbries - Kohlrabi - Senf - Liebstöckel

Dagegen hört sich die Zutatenkombination des nächsten Gange nach ordentlich Gaumen-Rambazamba an: Ein goldbraunes, behutsam mit Senf arosiertes, Milchkalbsbries wurde auf ein Podest aus Kohlrabi à la Crème gelegt, welches von einer fein säuerlichen Kohlrabi-Liebstöckel-Vinaigrette umgeben ist. Etwas Kalbsjus, Senfsaat und -crème, sowie marinierter, knackiger Kohlrabi steuern noch etwas Körper und Textur bei. Auch hier ist alles gelungen.

Die plausible und vertraute Aromenkombination besticht im Wesentlichen durch das wahrhaftig tiefe und intensive Geschmacksbild mit spitziger Säure, ohne jeden Anflug von Üppigkeit. Beeindruckend.

Überraschungsei

Das Herausfinden der Zutatenkombination des Papillenreinigers, bezeichnet als Überraschungsei, wird vom Service gerne an den Gast delegiert. Damit es eine Überraschung bleibt, spoilern wir an dieser Stelle besser nicht zu viel. Nur so viel: Lecker und exotisch.

Maisperlhuhn - Perigord Trüffel - Foie Gras - Pilze - Lauch

Der Hauptgang verspricht dann mit dem Dreiklang aus Maisperlhuhn, Foie Gras und Trüffel etwas klassische Harmonielehre. Die Brust des Perlhuhns wurde mit einer getrüffelten Geflügelfarce gefüllt und mit üppiger Foie Gras-Hollandaise, verschiedenen Pilzen (Buchenpilze, Enoki und Champignons) und einem glasierten Lauchherz kombiniert. Hinzu kommt noch eine herrlich intensive Geflügeljus. Ein beinahe schon zu makelloses Geschmackserlebnis und exzellent klassische Hochküche - ohne wenn und aber. 

In einer kleinen Schale wartet noch ein feines Perlhuhn-Frikassee mit Lauch und Pilzen unter einer Blätterteighaube. Ebenfalls hervorragend. 

Käseauswahl

Käse und Condiments

Die Klassik setzt sich bei der reichhaltigen, gereiften Käseauswahl vom Wagen mit konventionellen Condiments, wie Feigensenf, Nüssen und Früchtebrot fort. Als Getränkebegleitung kredenzt uns Michael Häni einen Malzbierschaum, was sich als stimmige Alternative zu schweren Weinen entpuppt. Für uns, als Käsewagen-Liebhaber, immer ein angenehmer und willkommener Einschub.

Süßkartoffel - Curry - Apfel - Kombucha

Spritzig asiatisch eröffnet das pre-Dessert den süßen Teil des Menüs. Die Basis bildet eine Crème von der Süßkartoffel, welche in einem Apfel-Kombucha-Sud mit feinen Curryöl-Perlen badet. Ein kühles, frisches Apfel-Granité vervollständigt die Entourage stimmig. Insgesamt ein schönes, komplexes Aromenbild, auch wenn wir grundsätzlich kein großer Fan der Süßkartoffel sind. Sehr gut!

Ziegenmilch - Amalfi Zitrone - Johannisbeere - Oliven - Olivenöl

Auch das Hauptdessert entzieht sich jeder Kategorisierung, indem es unkonventionelle Zutaten vereint. Die Hauptzutat Ziegenmilch wird in mehreren Zubereitungen (als Mousse, Eis und Crumble) geschickt mit frischer Amalfi-Zitrone (als Gel und Crumble), Kalamata-Oliven (kandiert und als Chips), Olivenöl-Foccacia und fermentierter Johannisbeere kombiniert. Dabei funktioniert das mediterrane Geschmacksuniversum als Dessert  - auch ohne Zuckerbomben-Charakter - hervorragend, da Leichtigkeit und ein elegante frische Säure den Teller bestimmen. Der feine Schmelz des Ziegenmilch-Eis und das cremige Mousse mit feiner Zitronennote sind großes Kino. Ein hervorragendes Dessert voller Mut und Selbstvertrauen!

Petits Fours

Zu guter Letzt sorgen noch wunderbar vielfältige Petits Fours für einen schönen Abschluss - auch hier mit weltoffenen Kombinationen wie Miso-Bergamotte oder Eukalyptus Zitrone. Hier kocht man eben so weltoffen, wie man sich gibt. 

 

Der herzliche und äußerst professionelle Service sorgt mit vielen netten Unterhaltungen dafür, dass wir es kurz nach Mitternacht mit einem kurzen Kopfschütteln das erste Mal auf die Uhr schauen. Die letzten 5 Stunden sind wie im Flug vergangen. Ein besseres Kompliment kann man einem Restaurant kaum machen. Bis bald!

 

Die alkoholische Getränkebegleitung

Michael Häni präsentierte mit viel Passion und Wissen unsere heute Weinreise, welche bis auf eine Ausnahme von domestischen Weingütern stammte. Auch hier stimmte alles und das Malzbier-Espuma zum Käse war definitiv ein unkonventioneller Einschub. 

Weinbegleitung

Aperitif Schloss Neuweiher Riesling Brut
1. Gang: Kingfish Weingut Korrell, Riesling von den Großen Lagen, 2018, Nahe
2. Gang: Schweinebauch & Pulpo Arndt Köbelin, Sauvignon Blanc, Niemandstal, 2018, Kaiserstuhl
3. Gang: Seezunge Weingut Münzberg, Weißburgunger, Ochsenloch 1te, 2016, Pfalz
4. Gang: Kalbsbries Weingut Jürgen Ellwanger, Nicodemus Candidus, 2016, Württemberg
5. Gang: Perlhuhn Goulan Heights Winery, Mount Hermon, 2018, Israel
6. Gang: Käseauswahl Malzbier-Espuma (ohne Bild)
7. Gang: Desserts Weingut Bimmerle, Gewürztraminer Auslese, 2015, Baden
   

DAS TEAM

Von links: Sous-Chef Julian Lechner, Küchenchef Manuel Ulrich, Sommelier Michael Häni mit Team

FAZIT

Frankreich und die Welt mit zugänglicher Aromenwucht. Manuel Ulrich und Team sind auf dem besten Weg eine kulinarische Institution für moderne Hochküche in Donaueschingen zu errichten. 


weitere informationen

Adresse: Ösch Noir
  Öschberghof
  Golfplatz 1
  78166 Donaueschingen
   
Öffnungszeiten: Mittwoch - Sonntag: 19:00 - 21:00 Uhr
  Auch an Feiertagen geöffnet
   
Chef de Cuisine: Manuel Ulrich
   
Besuchskonditionen: Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt
   
Kosten: 7 Gänge € 169,-- / vegetarisch 7 Gänge € 157,--
  Ganganzahl reduzierbar
   
Datum unseres Besuchs: 26.02.2020
   
Auszeichnungen: 1 Michelin Stern (Guide Michelin 2020)***
  16 Punkte (Gault Millau 2020)
  4 Hauben (Der Große Guide 2020)
   
*** verliehen am 03.03.2020  
   
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