Victor's FINE DINING by Christian Bau***, Perl - Atlantikbrise in Tokio

Veröffentlicht am 19.01.2020


Es gibt nahezu kein zweites Restaurant in Deutschland, welches bei internationalen und nationalen Feinschmeckern eine vergleichbare Verehrung erfährt. Ein Restaurant, welches man (wenn man es nicht besser wüsste) in eher urbanen Gefilden vermuten würde und nicht zwischen Weinreben und Wiesen in einer Teilgemeinde des rund 9.000 Seelen-Mosel-Ortes Perl im Saarlands. Die Rede ist natürlich von Victor’s Fine Dining und dessen prominenten Küchenchef Christian Bau, welcher mit seiner leidenschaftlichen Symbiose aus französischer und japanischer Küche bereits seinen festen Platz im Koch-Olymp eingenommen hat. Neben Höchstbewertungen in allen, renommierten Restaurantführern (u.a. 3 Sterne im Guide Michelin seit 2005), kann sich Bau zudem das Bundesverdienstkreuz und die Ernennung zum Ehrenbotschafter der japanischen Küche ans Revers heften. Das ist zweifellos bereits jetzt eine beeindruckende Lebensleistung.

 

Auch wenn die geographische Lage des Restaurants vielleicht eher ungewöhnlich erscheint, so stimmt das Setting, in welchem das Restaurant eingebettet ist, natürlich voll und ganz. Ein Luxushotel in einem über 900 Jahre alten Schloss mit angrenzendem Casino, ermöglichen auch nach langer Anfahrt viel Entspannung und Beschäftigungsmöglichkeiten. Wir begnügen uns mit einem kleinen Spaziergang um die Schlossanlage und sind bereits voller kulinarischer Vorfreude an diesem Sonntag-Mittag und stehen pünktlich zur Reservierungszeit direkt vor der Eingangstür im Hof von Schloss Berg. Die Begrüßung ist herzlich professionell und auch der Meister persönlich wünscht einen schönen Aufenthalt.

Die Einrichtung des Restaurants ist schnörkellos und elegant. Viel Wärme durch viel Holz und eine holzvertäfelte Decke, sowie cremefarbene, gepolsterte Stühle. Einige rote Tupfer und Kontrastpunkte im Raum (Tischblumen, Bilder) weisen dezent auf japanische Einflüsse hin, ebenso wie die puristisch eingedeckten, blanken Tischplatten.

 

Charakteristisch wird das große Menü Paris – Tokio (€ 268,--) betitelt und ist auch unsere Wahl. Bei einem Glas Winzersekt aus dem Hause Markus Molitor mit etwas Yuzu folgt schon der erste Reigen an Apéros.

 

Apéros

Cornet vom Bio-Ox mit Räucherfischcreme

Der Signature-Apéro des Hauses ist zweifelsohne das Cornet vom Bio-Ox mit Räucherfischcreme. Das perfekt temperierte, im positivsten Sinn ursprünglich schmeckende Tartar verdankt seine subtile Jodigkeit nicht der Sardelle, sondern der Creme und einer kleinen, feinen Portion Kaviar on top. Zusammen mit dem knusprigen Cornet (oder vielmehr ein Tartelette) eine wahre aromatische und texturelle Freude am Gaumen. Rauchig, jodig, fleischig - maximaler Genuss auf kleinstem Raum. Bockstark!

Nori-Tartelette - Torro - Kimizu

Das Nori-Tartelette mit Torro und Kimizu erfreut nahezu gleichermaßen mit tollem Thunfischbauch mit zartem Schmelz. Die geschickt dazu gewählte Kimizu (eine Art japanische Gewürzhollandaise) verleiht dem ganzen eine schöne Cremigkeit und eine angenehme Säure, welche sich naturgemäß gut mit der leichten Süße und Jodigkeit der Nori-Alge verträgt. Schlichtweg hervorragend!

Entlenleber - Räucheraal - Apfel

Ein weiterer Signature-Snack in der Apéro-Abfolge ist das Macaron mit Entenleber, Räucheraal und Apfel. Die sehr schön gearbeitete Petitesse schmilzt direkt am Gaumen und erzeugt dort ein schön mannigfaltiges, blendend austariertes Geschmacksbild, welches zwischen Süße, Herbheit und Leber changiert. Auch dieser Snack ist eine wahre Gaumenfreude!

Japanische Waffel - Sardine - Meereskräutercreme

Auch wenn es einem bereits jetzt nahezu unmöglich erscheint, schafft es der nächste Snack sogar noch eine Schippe draufzulegen. Eine fragile, frittierte japanische Waffel, welche mit Sardine, Meereskräutercreme und Kaviar belegt ist. Dabei ist die Waffel so hauchzart und scheinbar fettfrei ausgebacken, dass allein die feinknusprige Textur zum Niederknien ist. Feine jodige Aromen, zart platzender, nussiger Kaviar und die zarten Sardinen-Stücke tun ihr übriges, um diesen Happen zu einem der besten zu machen, welchen wir jemals probieren durften. Umwerfend und nachhaltig euphorisierend!

Ceviche von portugiesischen Shrimps - Erdnuss - roter Shiso

Das Niveau lässt auch bei der Ceviche von portugiesischen Shrimps (aus der Algarve) mit Erdnuss und rotem Shiso nicht nach. Die Löffeldegustation besticht wieder durch ein exzellentes Aromenkostüm, stimmige Proportionen, texturelle Vielfalt und unterschiedliche Temperaturen. Die Leche de Tigre wurde in eine zart platzende Kugel verkapselt und offenbart frisch, säuerliches Aroma direkt im Mund. Ein frischer Löffel mit herrlich klarem südamerikanisch-asiatischem Geschmackshorizont!

Faröer Lachs - Gurkentexturen - Buttermilch

Ein weiteres Amuse Bouche folgt auf dem Fuß und besteht aus einer Tranche kurz abgeflämmtem Färöer Lachs von exzellenter Qualität mit Gurkentexturen und Buttermilch.

Eine Zutat in unterschiedlichen Texturen zu präsentieren ist schon seit Längerem Mode und leider häufig nicht genussförderlich, wie wir leider oft feststellen müssen. Es gibt jedoch Köche, welche diese Disziplin so meisterhaft beherrschen, dass der Genuss noch durch die unterschiedlichen texturellen Ebenen erheblich verstärkt wird - zum Beispiel Christian Bau. Eine Art Gurken-Kimchi mit feiner Säure, ein exzellentes Gurkeneis, Cremes und ein feiner Buttermilch-Dashi geben dem Lachs eine sehr schöne Bühne. Besser kann man diese Kombination (ganz) sicher nicht umsetzen. 

Maronenvelouté - Albatrüffel

Beim letzten Amuse schwenkt das Team Bau zur Abwechslung wieder die französische Flagge. Eine süffige, heiße Maronenvelouté "mit weißem Trüffelparfüm". Die handwerklich exzellent umgesetzte harmonische Velouté mit feinen, noch leicht bissfesten Maronenwürfeln am Boden ist dann ein absoluter Pleaser mit höchstem Wohlfühlfaktor. Der weiße Trüffel sorgt noch mit seiner erdigen Heu-Note für die Vollendung des Wohlgeschmacks. Klassik im High-End-Bereich und der Abschluss der kulinarischen Küchengrüße auf einem berauschenden Niveau!

Gamberoni - Shishito-Paprika - Rauchmandel - Zitrusfrüchte

Als ersten Gang haben wir die "Japanese Raw Bar" (+ € 40,--), eine Art Sashimi-Auswahl, gewählt, welche in 3 Gängen serviert wird. 

Hier starten wir mit Gamberoni, japanischer Shishito-Paprika, Rauchmandel und Zitrusfrüchten. Die asiatische, süßliche Paprikasorte wird als Sud und feine Scheiben über das rohe Krustentier von sensationeller Qualität gegeben und elegant von der Zitrussäure umschmeichelt. Die Rauchmandeln machen das Gericht aromatisch vielschichtiger und sorgen mit ihrer Knackigkeit für etwas mehr Textur. Beeindruckende Produktküche!

Kampachi - Strandkräuter - jodige Aromen - Kaviar

Der zweite Gang ist ein alter Bekannter: Kampachi, Strandkräuter, jodige Aromen und (N25) Kaviar. Hier greift Bau wieder in seine Produktschatzkiste und drapiert insgesamt 3 rohe Tranchen (eine kurz abgeflämmt) vom Rücken der Gelbflossenmakrele von einer spektakulären Qualität, wie man sie sonst kaum zu Gesicht bekommt. Die jodigen Aromen werden im Wesentlichen von pochierten Austern-Stücken, Plankton und einem sensationellem Seeigel-Eis(!) erzeugt. Das Seeigel-Eis ist ein komplementärer Geniestreich und vermischt sich mit den weiteren Komponenten zu einer süßlich-jodigen Symbiose. Wie ein Strandspaziergang zum Augen schließen gut!  

Torro vom Blue Fin - Yuzu - Sesam - Wachteleigelb - weißer Trüffel

Streich Nummer 3 der "Japanese Raw Bar" ist hingegen wesentlich intensiver. Es gibt Torro vom Blue Fin Tun, Yuzu, Sesam und gestocktem Wachteleigelb. Komplettiert wird das Gericht mit einer großzügigen Menge weißem Trüffel on top. Die geschmackliche Geologie des Gerichts ist dabei denkbar einfach: Man nehme einfach puren Wohlgeschmack und mische ihn mit anderen Wohlgeschmäckern und bestmöglicher Produktqualität. Das Ergebnis ist offensichtlich und bedarf wenig kulinarischen Intellekts: eine üppige, zartschmelzende, salzige und herzhafte Mélange mit einem genial subtilen Yuzu-Frischekick. Schlichtweg grandios!

Jakobsmuscheln - Grüne Kräuter - Gemüse - Fischeier - Koji

Serving Nummer 11 ist gleichzeitig der offizielle 2. Gang des Menüs. Das hört sich irgendwie skurril und aufregend zugleich an.

Das Geschmacksbild der Jakobsmuscheln mit grünen Kräutern und Gemüse, "Fischeier" und Koji ist dabei angenehm leicht und elegant zugleich. Dem perfekt gegarten, nussig süßlichen Muschelfleisch tut die Kontrastierung mit grünen Noten von Spinat als junge Blätter und Püree, Kräuteröl, jungem Lauch und Edamame wirklich sehr gut. Ein etwas üppiger Schaum (vermutlich) aus den Bärten der Jakobsmuschel und zart platzender Fischrogen akzentuieren das Gericht sehr schön und bringen den Esser an die nördliche Atlantikküste Frankreichs. Zum Träumen!

Langoustine - Passionsfrucht - Karotte - Bonitoessig

Die Armada an erstklassigen Prestige-Zutaten aus der Bretagne  wird fortgeführt - diesmal im eher süß-säuerlichen Gewandt. Eine perfekt zubereitete bretonische Langoustine wird geschickt in eine perfekte Balance aus der Säure der Passionsfrucht, erdig süßer Karotte und dem etwas komplexeren Aroma des süß-säuerlichen Bonitoessig gebettet. Bau schafft hier ein spannendes Säurespiel par excellence - belebend und spannend zugleich.

Steinbutte - Artischoke - Meereskopfsalat - Abalone

Die bretonische Trilogie wird von einer Tranche Steinbutt vollendet. Dazu kommt ein Prachtexemplar einer Artischocke, grüner Meereskopfsalat und - um dem ganzen einen ostasiatischen Twist zu geben - Abalone.

Auch hier wird wieder mit viel Feingefühl komponiert und angenehme, eher zurückhaltende Aromen elegant zwischen Jodigkeit (Meereskopfsalat), grünen Noten mit etwas Säure (Kräuter und Artischocke) und süßlicher Nussigkeit (Steinbutt und Abalone) jongliert. Ein leiser Fischgang voller subtiler Komplexität in Bau'scher Perfektion. Sensationell!

Australisches Tajima Wagyu - Ratatouille - Tsuyu-Soy-Sauce - schwarzer Knoblauch

Dagegen wirkt der Hauptgang mit intensivem buttrig-fleischigem, zartem Tajima Wagyu aus Australien mit intensiven, dekonstruierten Ratatouille(-Gemüse), würziger Tsuyu-Soy-Sauce und schwarzem Knoblauch wie der sehnlichst erwartete, einfach gestrickte Krawallbruder.

Hier macht die Küche eine Kehrtwende und serviert enormen, eingängigen Wohlgeschmack mit perfektem Salzgehalt - hochgezogene Augenbrauen und unterbewusstes Kopfschütteln inklusive. Die zwei kleinen (als Sättigungsbeilage definitiv dadurch ungeeigneten) Pomme Soufflées sind handwerklich so perfekt gearbeitet, dass man ihnen durchaus Symbolcharakter für die Perfektion und Detailverliebtheit in Christian Bau's Küche zusprechen kann. Beeindruckend!

Tahiti-Vanile - Banane - Schokolade - Sahne

Die Desserts starten mit einer eigenen Interpretation des US-Evergreens "Banana Split". In der Zusammensetzung ähnelt es dabei der häufig in Deutschland anzutreffenden Variante aus Vanilleeis (hier sensationell mit Tahiti-Vanille), Banane, Schokolade und Sahne (fein verarbeitet schön geschichtete Schnitte und kleinen Leckereien am Rand). Für uns ist schnell klar, besser kann man das eigentlich nicht machen, nur eventuell anders. Eine überragende Interpretation des Klassikers mit vielen liebevollen Details und einem Vanilleeis, welches einem den nächsten Besuch in der Eisdiele mit Sicherheit vermiesen wird.

Baustein - Tonkabohne - Birne - Rotweineis

Ein Klassiker folgt auf dem Fuß: Der Baustein. Die Signature-Schleckerei aus üppiger, wohlschmeckender Tonkabohnen-Mousse und Knusperboden wird fein von einem hervorragenden Rotweineis mit feiner Cassis-Note und köstlich, fruchtigem Himbeersorbet (in Himbeerform) begleitet. Das Birnengel, pochierte Birnen und paar Ingwer-Macarons passen ebenfalls hervorragend ins Ensemble. Meisterhaft simpel und extrem befriedrigend. 

 

Zum Schluss folgt analog zu den Apéros noch eine Schar fein gearbeiteter süße Kleinigkeiten, in der Karte als Sweet Bento Box bezeichnet:

Löffelbare Schwarzwälder Kirsche - Homage an die Heimat

Sonstige Leckereien:

Petits Fours

Das Highlight der Petit Fours ist sicherlich die löffelbare Schwarzwälder Kirsch-Torte, eine Hommage an Christian Bau's Heimat. Die Spezialität wird geschickt dekonstruiert und auf verschiedene texturelle Ebenen mit unterschiedlichen Temperaturen geschichtet. Schokoladen-Mousse, Schokoladen-Crumble, Kirschwasser-Espuma, Kirschragout und Kirschsorbet ergeben in Summe eine perfekte Interpretation der Schwarzwälder Köstlichkeit. Heimatliebe des gebürtigen Offenburgers, die man schmeckt. 

Für uns ist nach diesem Mittagessen definitiv klar geworden, dass man dem kulinarischen Himmel in Deutschland in einer 9.000-Seelengemeinde nahe der Mosel begegnen kann. Ein Menü, welches praktisch keine Schwächen offenbarte und selbst in den schwächsten Momenten noch ganz oben mitspielte - absolutem Produktfetischismus, perfektem Handwerk und unbändiger Kreativität sei Dank.

 

Auch Nina Mann begeisterte als Sommelière mit ihrem Gespür für Weine und nette Unterhaltungen und kredenzte uns mit etwas Van Volxem-Riesling aus der Region (leider waren wir mit dem Auto da) eine schöne Begleitung für die ersten Gänge.

Die vielen Stunden sind wie im Flug vergangen. Christian Bau verabschiedet uns noch persönlich und schließlich spuckt uns Schloss Berg wieder da aus, wo alles begann.

An der erdigen, kalt-feuchten November-Luft wird einem die allgemeine Vergänglichkeit des Genusses leider zu schnell vor Augen geführt. Gerade befanden wir uns noch in Tokio, wo wir von einer milden Atlantikbrise umweht wurden. Zuviel geschwärmt -  wir waren in einer Art Parallelwelt, soviel ist sicher.

 

FAZIT:

Keine Kompromisse, maximale Leidenschaft und das Streben nach Perfektion sind nur drei Säulen von Christian Bau's einzigartiger Küche, welche sich nur mit Superlativen umschreiben lässt und für die kein Weg zu weit ist.


weitere informationen:

Adresse: Victor's FINE DINING by Christian Bau
  Schloßstraße 27-29
  66706 Perl
   
Homepage: https://www.victors-fine-dining.de/
   
Öffnungszeiten: Mittwoch - Samstag: ab 19:00 h
  Sonntags: Lunch ab 12:00 h / Dinner ab 19:00 h
   
Chef de Cuisine / Patron: Christian Bau
   
Besuchskonditionen: Unser Besuch wurde vollständig durch uns bezahlt
   
Kosten: 'Paris - Tokio'-Menü (7 Gänge): € 265,-- / in 5 Gängen: € 215,--
  Carte Blanche Pairing inkl. Weinen: 5 Gänge: € 295,-- / 4 Gänge: € 245,--
   
Datum des Besuchs: 17.11.2019
   
Auszeichnungen: 3 Sterne (Guide Michelin 2019)
  19,5 Punkte (Gault Millau)
  5 Hauben (Der Große Guide)

Copyright by les etoiles