Lamm, Aspach - Goldenes Handwerk

Veröffentlicht am: 29.12.2019


Manchmal ist es allein schon wert über ein Restaurant zu schreiben, wenn man weiß, dass hier verdammt gut gekocht wird - auch ohne Stern. Das traditionelle Restaurant Lamm in Aspach nahe Stuttgart ist hier ein Paradebeispiel. Seit seiner Neueröffnung im März 2019 waren wir mehrmals da und jedes Mal von der Simplizität und dem enormen Wohlgeschmack der uns servierten Speisen angetan. Viele Zutaten stammen von Bauernhöfen und Erzeugern aus dem direkten Umland, das Gemüse sogar häufig aus dem eigenen Garten.

Alexander Hilt ist hier der Küchenchef und leitet die Küche zusammen mit Manuel Friz, einem alten Freund und Weggefährten die Küche - als Doppelspitze sozusagen. Zusammen kochen die beiden mit Herz und Leidenschaft und servieren ihren Gästen eine gekonnte Mischung aus Gutbürgerlichkeit und zeitgemäßen Gourmetkreationen.

Das Konzept kommt gut an. Schließlich hatten die Eigentümer über 3 Jahre nach einem neuen Pächter für die kulinarische Institution von einst gesucht. Der Spagat zwischen Bodenständigkeit und gehobener Gastronomie ist ohnehin auf dem Land eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Der erst 24 Jährige Alexander Hilt bekam den Zuschlag und überzeugte mit seinem Konzept, welches vom Aspacher Dorfpfännle (€ 16,90) bis zum 5-Gang-Gourmetmenü (€ 59,--) alle kulinarischen Interessen seiner Gäste abzudecken weiß. Mittlerweile ist eine Reservierung empfehlenswert, was wir auch schon am eigenen Leib erfahren mussten, und die Institution von einst in neuem Glanz wiederbelebt.

Das bereits 1710 errichtete, stattliche Gebäude dürfte - neben Andrea Berg - so etwas wie das Wahrzeichen der kleinen Gemeinde bei Stuttgart sein. 2011 wurde das Gebäude vollständig und hochwertig renoviert und mit einer Zigarrenlounge und einer großzügigen Außenterasse ausgestattet. Der Gastraum atmet mit seiner Naturholz-Vertäfelung und den schicken, kleinen, eingelassenen Vitrinen noch den rustikalen und nostalgischen Flair vergangener Jahrzehnte.

Gastraum

Auch wenn es heute sehr heiß ist, wählen wir das große Menü mit einer zusätzlichen Empfehlung der Küche - ein Gericht mit Seeteufel und Maishähnchenragout. Die äußerst fair bepreiste Weinbegleitung (30 € für 6 Gläser) nehmen wir natürlich wieder mit. Wir sind gespannt.

Schweinenacken - Radieschen - Weißbiermayonnaise

Als kleinen Gruß aus der Küche vorab gibt es konfierten Schweinenacken mit gepickelten Radieschen und einer Weißbiermayonnaise. Was sich sehr rustikal und schwer anhört, entpuppt sich als enorm leckeres Vergnügen. Einige essbare Blüten sorgen mit ihrer leichten, vegetabilischen Bitterkeit und Blumigkeit für einen schönen Kontrast.

Rindertartar - Kresse - Eigelb

Es wird bereits Zeit für Alex Hilts Spezialität: Rindertartar. Das klassisch handgeschnittene Tartar vom Färsen-Rinderfilet, welches traditionell mit feinen Zwiebeln, Sardellen, Schnittlauch, Salz, Pfeffer und Senf verfeinert wurde, schmeckt exzellent. Hinzu kommen ein frischer, leichter Sud aus Gurke und Zuckerschotenkresse, ein gebackenes, paniertes Eigelb und frische Kresse. Das Eigelb mit seiner dünnen, krossen goldgelben Panierung zerfließt beim Einschneiden sofort und verbindet sich mit dem herrlich frischen Sud. Perfekt proportioniert und ein toller Start ins Menü.

Thunfisch - Gurke - schwarzer Sesam

Etwas mutiger wird es beim Suppengang. Mit einer "Gurken-Kaltschale" mit gebratenem Thunfisch, schwarzem Sesam und Sauerrahm wird den heißen Sommertagen erneut Rechnung getragen. Die kalte Gurkensuppe entpuppt sich als eine bemerkenswert geschmacklich präzise abgestimmte Dekonstruktion eines klassischen Gurkensalats. Frische Gartengurke, Dill, Essig und Sauerrahm flankieren den leicht angebratenen und dadurch schön saftigen Thunfisch (von guter Qualität) ausgezeichnet. Etwas schwarzer Sesam erzeugt lustigerweise die Assoziation mit Sushi. In jedem Fall wird das allzu vertraute Aromenbild schön erweitert. Ebenfalls ein gelungener und im positiven Sinne ungewöhnlicher Teller.

Garnele - Avocado - Schafskäse - heller Tomatenfond

Sehr gelungen ist der nächste Gang. Zwei auf den Teller drapierte Garnelen werden von einer Avocadocreme, Schafskäse als Schaum und Creme und einen am Tisch aufgegossenen, hellen Tomatenfond begleitet, welcher nur aus dem abgetropften Saft vollreifer Exemplare ohne weitere Zusätze hergestellt wurde. Das erzeugt wiederum ein völlig authentisch natürliches und leichtes Geschmacksbild. Damit das Ganze nicht zu leicht wird, wurde kongenial der salzige, würzige Schafskäse hinzugefügt. Die ebenfalls sehr puristisch abgeschmeckte Avocadocreme bringt sich mit ihren feinen grünen Noten ebenfalls schön ein. Die Garnelen von ordentlicher Qualität sind perfekt auf den Punkt gebraten und innen schön glasig. Ein beeindruckender, kaum an Natürlichkeit zu überbietender Teller ohne Zauberei, aber dennoch in seiner Einfachheit magisch.

Seeteufel - Maishähnchen - Tigertomate

Seeteufel mit Maishähnchen-Ragout und Tigertomate (aus Manuel Frizs' Garten) folgt als nächstes. Auch dieses Gericht gibt geschmacklich ein stimmiges Bild ab, wobei die Intensität des Ragouts den feinen Geschmack des Fisches leider deutlich camoufliert. Man muss sich für eines der beiden entscheiden, was auch lecker ist, jedoch sicherlich nicht im Sinne des Erfinders. Die Fruchtigkeit und Säure der Tomate unterfüttert sehr schön die salzig, herzhafte Wucht des Maishähnchens, welches (ebenso wie der Fisch) qualitativ und handwerklich über jeden Zweifel erhaben ist. Ein guter Teller, welcher prinzipielle aus zwei eigenständigen Gerichten besteht und somit etwas von der gewohnten Präzision vermissen lässt. Kein Beinbruch.

Lamm - Pfifferlinge - Paprika

Was gibt es Restaurant Lamm wohl als Hauptgang? Richtig. Und Lamm beherrscht die Küche hier wirklich hervorragend. Die im Ofen zubereitete Lammhüfte ist perfekt auf dem Punkt und diesmal mit Pfifferlingen, Paprikamarmelade und einer hervorragend intensiven Jus kombiniert. À part werden noch hausgemachte Rosmarinpolenta-Taler gereicht. Ein Wohlfühl-Fleischgang voller starker und angenehmer Aromen. Schön einfach und einfach schön!

Kirsche - Zitronengras - Schokolade - Joghurt

Nach einem herrlich erfrischenden pre-Dessert, einem Wassermelone-Campari-Sorbet, welches mit Haussekt im Glas angegossen (ohne Bild) wird, folgt das eigentliche Dessert auf dem Fuß.

Die Kombination aus Kirsche (eingelegt, als Sorbet mit leichter Zitronengras-Note und Sud), Schokoladenkuchen (eine Art Brownie) und Joghurt-Ganache schmeckt zusammen wunderbar ausgewogen und harmonisch. Das Zitronengras und der Joghurt sorgen noch zusätzlich für etwas Frische. Wieder ein schönes Beispiel für unverkopften, simplen Wohlgeschmack und der Abschluss eines (wieder einmal) völlig überzeugenden Menüs.

GETRÄNKEBEGLEITUNG:

Namenhafte, regionale Weingüter zum fair kalkulierten Preis lautet das Credo der Weinkarte. Demzufolge war die empfohlene Weinreise für unser Menü eher eine schön zusammengestellte idyllsiche Wanderung von Stuttgart bis Winterbach - mit rund € 30,-- (für 6 Gläser!) ein echtes Schnäppchen.

Weinbegleitung

Aperitif:

Haussekt "Edition Lamm", Winzer vom Weinbergtal Cuvée Sekt, trocken

1. Gang: Tartar Weinfactum, Edition 1923, Stuttgart, 2015
2. Gang: Gurkenkaltschale Weingut Schaitmann, Grau-Weiß Cuveé, trocken, 2017
3. Gang: Garnele Weingut Albrecht Schwegler, Rosé, trocken QbA, 2017
4. Gang: Seeteufel Weingut Aldinger, Untertürkheimer Gips, Riesling trocken, 2017
5. Gang: Lamm Weingut Jürgen Ellwanger, Zweigeltrebe, Geradstettener Lichtenberg VDP, 2016
6. Gang: Dessert Graf Adelmann, Der weiße Löwe, Weißwein-Cuvée trocken, 2017

FAZIT:

Herzblut und ausgezeichnetes Handwerk zeichnen die Küche von Alexander Hilt und Manuel Friz aus. Mit ihrer präzise ausgefeilten Wolfühl-Gourmetküche, welche Land- und Stadtgaumen gleichermaßen erfreuen kann, ist das Restaurant eine sichere Bank im Stuttgarter Umland. Oder man gönnt sich dort einfach einen guten, klassischen Zwiebelrostbraten mit Trollinger-Soße. Den beherrscht das Duo Hilt / Friz nämlich ebenfalls ausgezeichnet.

 

DAS TEAM:

Die Küchenchefs: Alexander Hilt  und Manuel Friz

Das gesamte Lamm-Team (v. links nach rechts): Attila Kancsár - Jule Kappeler - Alexander Hilt - Manuel Friz


weitere Informationen:

Adresse: Restaurant Lamm
  Hauptstraße 23
  71546 Aspach
   
Website: http://www.lamm-aspach.de/
   
Öffnungszeiten: Mittwoch, Donnerstag, Freitag & Sonntag: 11:30 - 14:00 h / 17:30 - 22:00 h
  Dienstag & Samstag: 17:30 - 22:00 h / Montag Ruhetag
   
Besuchskonditionen: Unser Besuch wurde vom Restaurant unterstützt
   
Kosten: 5-Gang Gourmet-Menü (€ 59,--) / Weinbegleitung (€ 30,--)
  3-Gang Schwäbisches Menü (€ 37,50)
   
Weinpositionen: ca. 20
   
Datum des Besuchs: 06.08.2019
   
Auszeichnungen: Noch keine Wertung (Guide Michelin 2020)
  Noch keine Wertung (Gault Millau 2020)
  3,5 Hauben (Der Große Guide)
   
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